29 - Im Lande des Mahdi III
brauste er auf.
„Weil ich meine Gründe habe.“
„Gründe! Ach, du handelst freilich immer nach Gründen; das ist richtig. Nun, so habe doch einmal die Güte und laß mich deine Gründe hören!“
Er sagte das, indem er langsam zu mir zurückkehrte und dann vor mir stehenblieb, in beinahe ironischem Ton. Kalt und ruhig fragte ich:
„Hast du zwischen Kaka und Kuek jemand gefangen?“
„Nein. Warum fragst du das?“
„Um zu erfahren, wer dir dort in die Hände gelaufen ist. Oder sagtest du nicht, daß jemand so dumm gewesen sei, dir in die Hände zu laufen, über den du nun sofort ein Verhör und Gericht anstellen willst?“
„Ich meinte die Gefangenen hier.“
„Diese? Hier? Maschallah! Die sind keinem Menschen in die Hände gelaufen, am allerwenigsten dir. Ich habe mir redlich Mühe gegeben und alle meine Tatkraft und List zusammennehmen müssen, um sie in meine, hörst du, in meine Hände zu bekommen; hineingelaufen sind sie mir nicht. Wir waren sechs Mann und haben zwei Trupps Sklavenhändler ergriffen und sechzig Sklaven befreit; das geschieht natürlich nicht in der bequemsten Weise, wie du es darzustellen oder auszudrücken beliebst.“
„Laß doch das feine Haarspalten, Effendi! Die Gefangenen gehören mir, und ich werde sie sehen und dann bestimmen, welche Strafe sie erleiden.“
„Dir gehören sie, wirklich dir?“
„Natürlich!“
„So hast du deine eigene Entscheidung vergessen, welche zu treffen du vorhin die Güte hattest.“
„Welche Entscheidung?“
„Das Schiff gehöre dir und das Ufer mir; ich habe diese Entscheidung akzeptiert und bin niemals ein leeres Buch gewesen, dessen Blätter man nach Belieben vor- und rückwärts wenden kann.“
„Soll das heißen, daß du es wagen willst, mir zu widersprechen?“ fragte er, indem seine Stirn sich in drohende Falten zog.
„Wagen?“ lächelte ich zu ihm auf. „Ich wage nichts, gar nichts, wenn ich anderer Ansicht bin als du.“
„Mir das!“ rief er, mit dem Fuß stampfend, und mit der Hand nach dem Schiff deutend, fügte er hinzu: „Du weißt, wieviele Männer und Gewehre sich dort an Bord befinden. Du weißt auch, daß ich dort einen hübschen, kleinen, engen Raum als Gefängnis für widerspenstige Untergebene habe. Willst du es darauf ankommen lassen, daß ich dich zwinge, mir zu gehorchen?“
Da stand ich auf, faßte seinen Arm, daß er vor Schmerz zusammenzuckte, und antwortete: „Armer Teufel, du! Dein Untergebener bin ich nicht; zu gehorchen habe ich dir nicht, und zwingen lasse ich mich nicht! Versuche es doch mit dem Gefängnis! Ich glaube, du steckst eher drin als ich. Und deine Asaker? Ich sage dir: Wenn es dich gelüsten sollte, die Probe zu machen, welcher Wille ihnen höher stehe, der meinige oder der deinige, du würdest sofort erfahren, daß sie nicht dir, sondern mir gehorchen. Versuch es doch! Und bei allen Schejatin eurer sieben Höllen, ich würde dich in das kleine, hübsche Kämmerchen stecken und als Herr des Schiffes dahin segeln, wohin es mir beliebt. Und selbst wenn das alles, alles nicht wäre, so stünde es dir frei, mich mit allen Mitteln, welche dir zur Verfügung stehen, zu zwingen, gegen meinen Willen zu handeln. Hier stehe ich, ein einzelner Mann, vor dir, rufe deine Asaker herbei und befiehl ihnen, mich zu packen. Es wird viel Blut, sehr viel Blut fließen, ehe es einem von ihnen gelingt, das Ufer zu erreichen, und der erste, den ich fassen werde, das bist du selbst, ja, du!“
So drohend hatte ich wohl selten einem Menschen gegenübergestanden, wie jetzt ihm. Er schüttelte meine Hand von seinem Arm ab und schrie mich an: „Kerl, vergreif dich nicht an mir!“
Seine Augen bohrten sich wie Dolche in die meinigen, doch hielt ich diesen Blick des Grimmes gelassen aus. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, und unter dem vor Wut krampfhaften Zucken seiner Lippen bewegte sich der Vollbart auf und nieder.
„Du hast Hand an mich gelegt; du hast mir gedroht!“ stieß er hervor. „Weißt du, was jetzt geschehen wird?“
„Ja.“
„Nun, was? Sage es; sage es schnell!“
„Dein eigenes Lieblingswort wird sich erfüllen: Wehe dem, der wehe tut!“
„Ja, wehe dem, der wehe tut! Du hast dich gegen mich erhoben; du hast gemeutert! Ich besitze die Gewalt über Leben und Tod aller Leute, die auf mein Schiff gehören, und zu diesen zählst auch du. Im Namen des Khedive: Du bist mein Gefangener und hast mir jetzt an Bord zu folgen!“
Er zitterte vor Aufregung, während ich um so ruhiger
Weitere Kostenlose Bücher