29 - Im Lande des Mahdi III
band ihm die Hände los; er holte die erwähnten Gegenstände aus der Weste und schrieb mit einer Bereitwilligkeit, welche man anerkennenswert hätte nennen können, wenn sie nicht auffällig gewesen wäre, mein kurzes Diktat nieder. Als er die Unterschrift hinzugefügt hatte, gab er mir das Papier und sagte:
„So, jetzt hast du vollständige Sicherheit und wirst mich freigeben!“
„Höre erst eine Frage! Hier steht, daß ich bis Khartum vollständig an deine Stelle trete und daß selbst du dich mir zu fügen hast. Das hat als ein fester Wille zu gelten?“
„Ja.“
„Die drei Zeugen haben es gehört. Sie mögen nach dem Schiff zurückkehren und es dort verkünden.“
„Ich nicht mit?“
„Du bist mir hier noch nötig; habe nur Geduld!“
Ich band die Genannten los und schickte sie nach dem ‚Falken‘. Ben Nil mußte sich als Wächter zu dem Raïs Effendina setzen, und ich ging zu den gefangenen Sklavenhändlern. Dort gab ich Hubahr, dem Spion, die Füße frei, doch die Hände nicht, und führte ihn ein Stück fort zwischen die Büsche. Als ich dort mit ihm stehenblieb, sah er mir erwartungsvoll in das Gesicht. In welcher Absicht mochte ich ihn von den andern abgesondert haben?
„Wenn ich nicht irre, wirst du Hubahr genannt?“ fragte ich ihn.
„Ja, Effendi“, nickte er.
„Weißt du, welches Schicksal euch erwartet?“
„Der Tod, Effendi, wenn Allah nicht so gnädig ist, es zu verhüten.“
„Allah ist gerecht und doch barmherzig. Seine Gerechtigkeit wird alle deine Kameraden vernichten; dich aber wird seine Barmherzigkeit erretten, wenn du dich ihrer würdig zeigst.“
„Mich, Effendi? Allah 'l Allah! Was muß ich tun, mich ihrer würdig zu machen?“
„Meine Fragen genau der Wahrheit gemäß beantworten.“
„Sprich sie aus, oh, sprich sie aus! Ich werde so aufrichtig sein, als ob der Richter des jüngsten Tages mich fragte.“
„Versprich mir nicht zu viel! Ich kenne dich und weiß, daß deine Gedanken anders sind, als deine Worte klingen.“
„Du irrst dich; ja du irrst!“
„Nein. So weiß ich zum Beispiel, daß ihr euch nicht für verloren haltet, sondern fest an eure Rettung glaubt.“
„Wer dem Raïs Effendina in die Hände fällt, der ist nicht zu retten. Wohin sollten wir unsere Hoffnung richten?“
„Nach El Michbaja.“
Er hatte sich bemüht, ein unbefangenes, aufrichtiges Gesicht zu zeigen, und das war ihm bisher auch ganz gut gelungen; jetzt war es ihm unmöglich, seinen Schreck zu verbergen. Er stotterte:
„El Mich – ba – – ja? Was ist das, Effendi? Das – das kenne ich nicht!“
„Ganz wie du willst! Ich habe dich von den andern abgesondert, um dich zur retten; aber wenn dir so viel daran liegt, mit ihnen zugrunde zugehen, so fällt es mir nicht ein, dir die Freiheit und das Leben aufzuzwingen. Komm!“
Ich tat, als ob ich wieder mit ihm zurückkehren wollte; da bat er mich: „Warte noch, Effendi, warte! Vielleicht besinne ich mich; vielleicht fällt es mir noch ein, ob ich die Michbaja kenne!“
„Das hoffe ich um deinetwillen und will dir darum auf die Spur helfen. Die Michbaja ist ein Versteck auf einer Halbinsel des Nils, wo man eine ganze Menge Reqiq verborgen hat.“
„Reqiq – – –?“
„Ja. Dort steht auch Tag und Nacht ein Posten, um auf das Erscheinen unseres Schiffes, welches überfallen werden soll, aufzupassen.“
„Davon habe ich keine Ahnung, Effendi!“
„So! Auch nicht davon, daß die Bemannung des Schiffes getötet oder verkauft werden kann, ganz nach Belieben, daß aber zwei Personen, nämlich der Raïs Effendina und ich, ausgeliefert werden sollen?“
„An wen?“
„An den Murabit von Aba.“
„Den kenne ich nicht.“
„Sonderbar! – Du kennst deinen eigenen Lehrer nicht?“
„Meinen Lehrer?“
„Ja. Du bist doch der Schüler von Mohammed Achmed Ibn Abdullahi, der dich in der Terika des Scheiches Mohammed Scherif unterrichtet hat?“
„Du siehst, wie ich erstaune. Du verwechselst mich mit einem ganz, ganz andern Menschen.“
„Schwerlich! Es kommt noch etwas, was sehr genau auf dich stimmt. Nämlich der Hubahr, den ich meine, ist zu Abu Reqiq gesendet worden, um sein Führer nach El Michbaja zu sein. Das bist doch du!“
„Nein, das bin ich nicht! Wer hat dir diese Lüge gesagt?“
„Das verrate ich jetzt noch nicht. Du bist also nicht derjenige, von dem ich spreche?“
„Nein.“
„So tut es mir leid um dich! Du gefällst mir, und ich hätte dich sehr gern gerettet, was nur dann
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