29 - Im Lande des Mahdi III
verlassen, daß ich dich nicht wieder täuschen werde!“
„Getäuscht hast du mich noch nicht und wirst mich auch niemals täuschen können; das merke dir! Dennoch fordere ich jetzt von dir den Beweis deiner Aufrichtigkeit. Wenn du wieder lügst, hängst du zwei Minuten später hier am Baum, und kein Bitten und kein Versprechen kann dich von dem Tod des Erhängens retten. Also sag, wo ist El Michbaja zu suchen?“
„Du wirst die volle Wahrheit hören, Effendi, denn ich sehe ein, daß ich von Abu Reqiq nichts zu hoffen habe und daß nur du allein mich befreien kannst. Ist dir der Lauf des Bahr el Abiad von hier bis zur Insel Aba bekannt?“
„Leidlich.“
„Man kommt rechts an Gagumude und links an Omm Delgal, Nasabel, Omm Songur und Omm Saf vorüber. So schnell, wie eine Dahabiëh abwärts fährt, dauert es hinter dem letzteren Ort drei Stunden, dann fließt der Nil eine ganze Stunde lang so gerade wie der Schaft einer Lanze nach Norden. Nun biegt er plötzlich nach links ein und umströmt eine Halbinsel, welche so dicht bewaldet zu sein scheint, daß kein Mensch durchdringen kann. Aber es gibt mehrere schmale und versteckte Pfade, welche alle auf eine Lichtung stoßen, wo eine Art von Seribah erbaut worden ist, in der jetzt außerordentlich viel Reqiq aufbewahrt wird. An einer Uferstelle, wo man die Länge des Nils nach Süden weit überschauen kann, steht die Schildwache, welche auf euch aufzupassen hat.“
„Also drei Stunden unterhalb Omm Saf. Da muß man doch den Dschebel Ain rechts liegen sehen können?“
„Das ist richtig, Effendi. Sobald du den Dschebel Ain erblickst, bist du noch sicher; aber kurze Zeit später wird euer Schiff schon von dem Posten gesehen. Glaubst du das, was ich dir jetzt gesagt habe?“
„Ja. Ich werde darum noch milder gegen dich verfahren, als du denkst. Du sollst nicht eingesperrt werden; aber ich hoffe, daß du auch meine weiteren Fragen mit derselben Wahrheit beantwortest. Jetzt habe ich keine Zeit, sie zu tun. Ich werde dich hier anbinden und dich in kurzer Zeit abholen, denn die Sklavenhändler sollen nicht wissen, daß ich mit dir eine Ausnahme mache. Verhalte dich still; es wird dir nichts geschehen!“
Ich band ihn an einen Baum, und zwar so, daß es ihm zwar keine Schmerzen machte, er sich aber auch nicht befreien konnte. Er sollte nicht wieder mit seinen bisherigen Kameraden zusammen kommen. Als ich dann wieder auf dem Lagerplatz eintraf, fuhr mich der Raïs Effendina laut, so daß alle es hörten, an:
„Wo treibst du dich herum? Wie lange soll ich noch gefesselt bleiben? Ich habe getan, was du verlangtest; nun fordere ich aber auch von dir, daß ich losgebunden werde!“
„Das wird geschehen, sobald ich mich überzeugt habe, daß die Asaker alle deine Schrift respektieren und ich das Kommando also in Wirklichkeit übernommen habe. Ich werde zu diesem Zweck jetzt an Bord gehen.“
„Ich will aber gleich frei sein, sofort!“
„Du willst? Oh, ich glaube ganz gern, daß du willst, muß dir aber zu bedenken geben, daß jetzt mein Wille maßgebend ist, nicht der deinige.“
„Mensch, bringe mich nicht in Wut! Du wirst es bereuen, sobald ich wieder an Bord gekommen bin!“
„Welche Unvorsichtigkeit von dir! Du sprichst jetzt den Gedanken aus, den ich dir schon vorhin, ehe du schriebst, vom Gesicht abgelesen habe. Diese Schrift sollte mich bloß kirr machen; du hättest sie beim Betreten des Schiffes sofort null und nichtig gemacht und mich sehr wahrscheinlich in das hübsche, kleine Zimmerchen stecken lassen, welches du schon für mich bestimmtest, kurz bevor ich dich mit der Faust zu Boden schlug.“
Er stieß als unfreiwillige Bestätigung der Wahrheit meiner Voraussetzung einen grimmigen Fluch aus und warf mir darauf die Frage zu:
„So scheint es wohl, daß ich jetzt gar nicht an Bord kommen soll?“
„Es scheint, daß erst ich mich hin verfüge. Was dann geschieht, wirst du erfahren. Jetzt bleibst du unter der Aufsicht Ben Nils und der El Homr hier liegen, und diese Männer werden dafür sorgen, daß du dich so ruhig und bescheiden beträgst, wie es sich für meinen jetzigen Untergebenen geziemt.“
„Alle tausend Teufel! Du, der Christ, der nichts, gar nichts ist gegen mich, wagst es – – –“
Er konnte nicht weitersprechen, denn Ben Nil legte ihm die linke Hand an die Kehle, setzte ihm mit der rechten die Messerspitze auf die Brust und drohte:
„Schweig! Beleidigst du meinen Effendi nur noch mit einem Wort, so steche ich dich
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