29 - Im Lande des Mahdi III
dir gestern eine ruhige Nacht und ein fröhliches Erwachen; du hast mich nicht verstanden. Ich erkannte in Ben Sobata meinen Freund Kara Ben Nemsi, den von euch Verfluchten, und war, sobald ich ihn sah, überzeugt, daß mein Elend noch während dieser Nacht zu Ende gehen werde. Nun jammerst du über dein Elend, dein Unglück und deine Traurigkeit; wie wirst du erst jammern und klagen, wenn die Strafe, die du jetzt erst von weitem siehst, an dich herangetreten ist, um dich wie mit der Gewalt und Stärke von Löwentatzen zu Boden zu schlagen!“
Daß Ssali, sein Gefangener, es war, der in dieser Weise zu ihm reden konnte, empörte seinen Stolz und rief seine Energie wieder wach. Er richtete sich hoch auf, ballte die gefesselten Hände, hob sie drohend empor und rief:
„Schweig, du Wurm! Denn du bist auch jetzt nur ein armseliger Wurm, obgleich die Nähe dieses Christen dir die Verwegenheit gibt, zu glauben, daß du mich ungestraft beleidigen kannst! Noch habt ihr nicht gesiegt! Ich sehe zwar hier alle meine Leute gebunden und alle meine Sklaven befreit. Es ist euch nur durch niederträchtige Heimtücke gelungen, die Michbaja für wenige Stunden in eure Gewalt zu bekommen, aber eure Freude wird sich in Trübsal und euer Jubel in Jammer verwandeln, denn der ‚Heilige von Aba‘ wird seine mächtige Hand erheben, um mich zu befreien und euch zu verderben!“
„Der ‚Heilige‘? Seine Hand erheben? Ich denke, du bist seine Hand? Du nennst dich doch Jumruk el Murabit! Wenn wir diese Faust in so ohnmächtiger Schwäche vor uns sehen, wie können wir da den fürchten, dem sie genommen und abgehauen worden ist! Hat euer Murabit sich nicht vor Kara Ben Nemsi gefürchtet? Ist er nicht sein Gefangener gewesen? Verdankt er nicht ihm das Leben, ihm, der sich seiner erbarmte, als er, von der Bastonade niedergeworfen, fast sterbend einst im Sumpf lag? So einen Menschen nennt ihr Murabit? So ein Mann, dessen Sohlen auf Befehl des Raïs Effendina zerschlagen wurden, soll der Mahdi sein, welchen Allah sendet, um der Menschheit Frömmigkeit und Gerechtigkeit zu bringen und ihr die Pforten des Paradieses zu öffnen? O Jumruk el Murabit, wie müßte ich dich verlachen, wenn es nicht so traurig wäre, einen Menschen, dem Allah doch Verstand gegeben hat, so sinnlose Torheiten aussprechen zu hören!“
„Schweig, oder du wirst an deinen eigenen Worten ersticken!“ schrie ihn Jumruk an. „Ich weiß genau, was ich gesagt habe und auch, warum ich es sagte. Auf euern Sieg braucht ihr euch gar nichts einzubilden, denn es wird – – –“
„Still!“ unterbrach ich ihn. „Wenn du glaubst, zu wissen, was du sagst, so wissen wir noch viel besser, was wir tun. Ich ziehe nämlich das Tun dem Sagen vor, und du wirst gar nicht lange zu warten brauchen, um durch die Tat die Antwort auf deine Drohungen zu bekommen. Schafft ihn wieder hinein und bindet ihm die Füße!“
Er wollte sich sträuben, wieder in das Innere des Gebäudes geschafft zu werden, doch kamen auf meinen Wink einige Asaker herbei, welche Ben Nil halfen, den Widerstrebenden zum Gehorsam zu zwingen. Ich brach so schnell mit ihm ab, weil ich den Askari kommen sah, welchen ich an das südliche Ufer der Halbinsel, wo einst die feindliche Wache stand, postiert hatte, um auf die Annäherung des ‚Falken‘ Achtung zu geben. Dieser Mann meldete mir jetzt, daß das Schiff zu sehen sei.
Ich hatte mit dem Steuermann verabredet, falls auf der Halbinsel alles in Ordnung sei, zwei Schüsse aus meinem weithin schallenden Bärentöter abzugeben, auf welches Zeichen hin er am Nordufer der Insel anlegen solle, weil es da, also stromabwärts gerichtet, ruhigeres Wasser gab als auf der andern Seite. Ich sah den ‚Falken‘ kommen, und zwar schnell, denn der günstige Wind erlaubte ihm, sich der Segel zu bedienen. Als er nahe genug war, schoß ich die beiden Läufe ab, worauf vom Bord ein dreimaliger lauter Ruf als Antwort ertönte; dann glitt der ‚Falke‘ westwärts hinüber, um die Halbinsel zu umsteuern. Während er diesen Bogen schlug, ging ich von der südlichen nach der nördlichen Seite derselben und kam dort grad an, als er in die stille Bucht einfuhr, wo auch die schnellsegelnde Schachtura vor Anker lag, welche, wie schon gesagt, Jumruk sich hatte bauen lassen und die, weil sie meinen Absichten vortrefflich zustatten kam, ich als das mir willkommenste Beutestück betrachtete.
Noch ehe der ‚Falke‘ den Anker fallen ließ, rief der Steuermann mir fragend zu, ob der von
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