29 - Im Lande des Mahdi III
wieder austreten, bekam aber zu hören, daß der Austritt sein Verderben sein werde, denn er könne gehen, wohin er wolle, der Rächer werde ihm folgen. Diese Angelegenheit brachte ihn vor einen Mann, der einen hohen Grad in der Kadirine bekleidete und ihn wegen des beabsichtigten Austrittes zu verwarnen hatte; er war Offizier und als solcher und auch in anderer Beziehung ein sehr einflußreicher Mann, der sich außerordentliche Ziele gesteckt zu haben schien. Ssali Ben Aqil sagte mir den Namen nicht; einige Andeutungen aber, die ihm unwillkürlich entschlüpften, ließen mich vermuten, daß Arabi Pascha gemeint sei, welcher ja bekanntlich auf die Kadirine die überschwenglichste seiner Hoffnungen gesetzt hat. Dieser hohe Kadirinist nahm ihn anfänglich sehr streng ins Gebet, zeigte sich aber bald milder als er die Begabung Ssalis erkannte. Er verweigerte ihm nicht nur die Erlaubnis zum Austritt, sondern machte ihn darauf aufmerksam, daß er grad durch die Kadirine zum Ziel gelangen könne, denn nur unter ihren Anhängern, wenn auch in einer ihrer Unterabteilungen oder einer ihr ähnlichen Bruderschaft, könne der ersehnte Mahdi erstehen. Es gebe einen Anhänger der Kadirine, welcher darüber mehr sagen könne, ja, vielleicht den Namen des Mahdi schon wisse. Dieser von Allah begnadete Mann bekenne sich gegenwärtig zur Terika Samania, heiße Mohammed Achmed Ibn Abdullahi und wohne auf der Insel Aba im weißen Nil; Ssali Ben Aqil solle zur Strafe für seine Zweifel und seine Unbeständigkeit zu ihm pilgern, um bei ihm Verzeihung zu erflehen und um seinen Unterricht zu bitten. Er gehorchte dieser Aufforderung und bekam einen verschlossenen Brief des Offiziers an diesen Mohammed Achmed mit. Er kam nach langen, mehr als beschwerlichen Fahrten, Ritten und Wanderungen nach Khartum und von da nach Aba, wo er Mohammed Achmed anwesend fand. Dieser las den Brief, zeigte sich außerordentlich streng gegen ihn und diktierte ihm Büßungen, welche die Gesundheit seines Körpers zu untergraben drohten und den Rest seiner Glaubenszuversicht vollständig vernichteten. Ssali, mit einem ungewöhnlichen Scharfblick begabt, durchschaute sehr bald das ganze innere Wesen des Mannes, welcher sich bisher den Fakir el Fukara genannt hatte, nun den Titel eines Sahed, eines Entsagenden, führte, bald darauf sich als el Murabit, der Heilige, verehren ließ und ihm schließlich die stolze Mitteilung machte, daß er mit Allah in direktem Verkehr stehe und von ihm den Befehl bekommen habe, als der längst erwartete Mahdi den Erdkreis zu erobern und allen Gläubigen das Glück der wahren Erkenntnis zu bringen. Ssali hatte sich mit Schmerzen nach dem Mahdi gesehnt und war überzeugt gewesen, daß, wenn er das Glück hätte, ihn zu finden, seine Seele in himmlischem Entzücken aufjauchzen würde; wo aber blieb dieses Jauchzen jetzt? Er erschrak, anstatt daß er sich freute, denn es graute ihm vor dem Mann, welcher sich vermaß, der Menschheit die Seligkeit aller Paradiese zu bringen. Der sollte der Mahdi sein? Eine größere Lüge oder wenigstens Selbsttäuschung konnte es gar nicht geben. Er hielt es für seine Pflicht, mit dieser Meinung nicht zurückzuhalten, und wurde von diesem Augenblick an als Gefangener behandelt. Was er zu seiner Verteidigung vorbrachte, hatte nur den Erfolg, daß es seine Lage verschlimmerte, weil es bewies, was für eine außerordentliche Rednergabe er besaß, welche Mohammed Achmed sich um jeden Preis, selbst durch den äußersten Zwang, dienstbar machen wollte. Der Murabit erkannte, daß er von Ssali durchschaut worden sei, und so gab es seinen Gesinnungen und Plänen nach hier nur zweierlei Wege für ihn; entweder nahm Ssali die Terika Samania an und trat zu den Anhängern des neuerstandenen Mahdi über, oder er mußte verschwinden; auf keinen Fall durfte er ihn zurückkehren lassen, ohne ihn zu sich bekehrt zu haben. Ssali aber war nicht der Mann, sich zwingen zu lassen; die außerordentliche Strenge, mit welcher er behandelt wurde, hatte den grade entgegengesetzten Erfolg; sie brachte die Saat, welche ich damals bei der Musallah el Amwat in sein Herz geworfen hatte, zur schnellen Reife; seine Zweifel an der Wahrheit des Islam wuchsen von Stunde zu Stunde, und die geistliche Tyrannei, unter welcher er litt, ließ in ihm eine heiße Sehnsucht nach der Liebe erwachen, von welcher ich durch Wort und Tat gepredigt hatte. Es war da kein Wunder, daß er gegen Mohammed Achmed, welcher zuweilen bei ihm erschien, um
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