29 - Im Lande des Mahdi III
Leuten nur einen, der mir nicht die Hand drücken wollte; das war Aziz, der ‚Liebling‘ des Raïs Effendina, der so oft auf Befehl seines Herrn die unerbittliche Peitsche geschwungen hatte. Als ich ihm meine Hand zum Abschied hinhielt, trat er einen Schritt zurück, sah mir finster in das Gesicht und sagte:
„Erwarte von mir keinen Händedruck! Ich liebe meinen Herrn und bin ihm treu; du hast ihn beleidigt und gekränkt; ich mag von dir nichts wissen!“
„Ich freue mich über diese deine Treue, welche dir aber kein Recht gibt, mich zu hassen“, antwortete ich. „Fühlt sich dein Herr beleidigt, so trägt nur er die Schuld, nicht ich. Bringe ihm meinen letzten Gruß, und sage ihm, daß ich nicht als sein Feind von ihm geschieden bin!“
Wir wurden nach dem Ufer geleitet, stiegen ein und stießen ab. Es war uns allen, und zumal mir, wehe um das Herz. Mein Abschied vom ‚Falken‘ hätte ein ganz anderer sein sollen und auch sein können. Ich hatte den Raïs Effendina aufrichtig liebgehabt.
Wir saßen lange, lange schweigend im Boot; die notwendigen Handgriffe wurden stumm getan. Da hinter uns im Süden war ein kurzer, aber ereignisreicher Teil unsres Lebens zurückgeblieben! Wir ruderten uns an der Mangarah vorüber und legten dann am Ufer an, um nicht am Tag die Insel Aba zu passieren. Wie gern hätte ich auf ihr gelandet, des groß und heilig gewordenen Fakir el Fukara wegen; aber dies hätte geheißen, uns einer bloßen Neugierde wegen ganz nutzlos in Gefahr zu begeben, und so ließen wir uns dann, als es Abend geworden war, beim Scheine der Sterne an ihr vorbeitreiben und zogen, als der Mond aufging und der Wind aus Süden wehte, die beiden Segel auf, um die Schnelligkeit der Schachtura zu erproben.
Wir konnten mit ihr zufrieden sein, denn wir überzeugten uns, daß der Raïs Effendina, selbst wenn es ihm möglich wäre, heut noch an Bord des ‚Falken‘ zu kommen, uns doch bis Khartum nicht einholen würde. Von unserer Talfahrt ist nichts Wichtiges zu sagen; sie machte die erste Hälfte meiner zum Raïs gesprochenen Worte wahr: „Ich werde eher in Khartum und auch eher in Kairo sein als du!“
Es war am frühen Vormittag, als wir uns zwischen den vielen Barken hindurchwanden und an das Ufer legten. Ich eilte sogleich nach der nahen, offenstehenden Missionskirche, um dem Ehre zu geben, dem Ehre für die Rettung aus so vielen Gefahren gebührte. Ssali – ich sage es mit Freuden – begleitete mich und kniete an meiner Seite nieder. Als wir das Gotteshaus verlassen hatten, sagte er:
„In dieser Viertelstunde habe ich auch äußerlich mit dem Islam abgeschlossen, Effendi. In der Heimat angekommen, werde ich eine christliche Medrese (Höhere Schule) besuchen, um ein Prediger der Lehre von der Liebe zu werden, wie ich ein Lehrer der Irrtümer Mohammeds gewesen bin.“
Es sei mir eine Beschreibung dieser außerordentlich interessanten Stadt hier an dieser Stelle erlassen; ein späterer Band wird das Versäumte reichlich nachholen; der mir für dieses Mal gewährte Raum würde nicht reichen. Das Wichtigste, was wir zu tun hatten, war, Barjad el Amin aufzusuchen, welcher im Verein mit Ibn Asl Hafid Sichar seines Goldes beraubt und ihn in die Sklaverei verkauft hatte. Sein Haus stand in der Nähe des Hokumdaria. Wir fanden es bewohnt, aber nicht mehr von dem Gesuchten. Auf unsere Erkundigungen erfuhren wir, daß er von Allah schwer heimgesucht worden sei; el Hawa, die Cholera, hatte seine ganze Familie vernichtet; nur er allein war übriggeblieben; die Trauer und der Tiefsinn hatten ihn ergriffen; die Einsamkeit aufsuchend, war er seltener und immer seltener gesehen worden und endlich ganz verschwunden. Man glaubte, daß er seinem Leben ein Ende gemacht habe. Wohin sein Vermögen gekommen sei, das wußte niemand zu sagen.
Hafid Sichar machte eine Bewegung mit den Händen, als ob er etwas von sich werfe, und sagte heiteren Tons:
„Weg mit dem Gold! Allah hat nicht gewollt, daß ich es zurückerhalte; ich habe meine Freiheit wieder; die ist mehr wert als alle Schätze der Erde. Er sei hochgepriesen dafür, daß ich nach so langer Arbeit im Innern der Erde das Licht der Sonne genießen darf.“
Seine heitere Zufriedenheit rührte mich. Ich gab mir den Anschein, als ob ich grad so dächte wie er, sann aber im stillen eifrig hin und her, wo dieser Barjad el Amin wohl zu suchen sei. Das Geld hatte nicht mir gehört; aber eine Summe von 150.000 Piastern samt Zinsen hätte ich nicht so leicht aufgegeben.
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