29 - Im Lande des Mahdi III
Effendi.“
„Das machst du mir nicht weis. Ich will dir sagen, warum du wünschst, mit mir zu fahren. Erstens hat dich Kumra, deine Schwester, darum gebeten; sie würde sich bei mir sicherer und wohler fühlen als auf dem ‚Falken‘, wo die vielen Asaker sie zu einem förmlichen Gefängnisleben zwingen. Der Hauptgrund aber liegt in deiner jetzigen Angst vor dem Raïs Effendina.“
„Angst? Er ist doch stets so freundlich mit mir gewesen. Warum sollte ich mich grad jetzt vor ihm fürchten? Ich habe ihm ja nichts getan!“
„Du nicht, aber ich! Doch daran trägst auch du Schuld, wie du wohl wissen wirst. Wenn er an der Insel Talak chadra wieder an Bord kommt, wird er sich in einer so grimmigen Stimmung befinden, daß es für jedermann geraten ist, ihm aus dem Weg zu gehen. Das ist es, was dich zu dem Wunsch treibt, mit mir fahren zu dürfen.“
„Nein! Nur aus reiner Freundschaft möchte ich gern bei dir bleiben!“
„Wirklich? Ist deine Freundschaft so groß, daß sie auch Gefahren mit mir teilen würde?“
„Ja.“
„Gut, so sei dir dein Wunsch erfüllt. Hole deine Frauen! In höchstens einer Stunde segeln wir ab.“
Ich lächelte ihm bei diesen Worten ironisch ins Gesicht. Er wurde verlegen, drückte und drückte und fragte dann:
»Welche Gefahren sind es, die du meinst?«
„Keine gewöhnlichen, denn wir werden hart am Rand des Todes vorübersegeln. Der ‚Heilige‘ auf der Insel Aba will mich fangen, und dieses Boot gehört der ‚Faust des Heiligen‘; er kennt es also und wird mich nicht vorüberlassen wollen. In dieser Gegend ist der Nil mit Wächtern besetzt, welche auf uns aufzupassen haben. Das ergibt für uns Gefahren, die der große, wohlbemannte ‚Falke‘ nicht zu beachten braucht, denen aber so ein kleines Boot, wie diese Schachtura ist, wohl kaum entgehen kann. Deine Freundschaft zu mir wird sich freilich gar nicht daran kehren!“
„Nein, ganz gewiß nicht, Effendi! Ich bin gern bereit, alles mit dir zu wagen und bitte dich nur um die Erlaubnis, mit Kumra, meiner Schwester, vorher darüber sprechen zu dürfen!“
Er eilte fort und soll heut noch wiederkommen! O Murad Nassyr, Bruder zweier Schwestern, von denen eine mich beglücken sollte, wie tut mir dies dein schnelles Scheiden weh!
Schon in einer Stunde abzufahren, war nur Redensart gewesen; so rasch konnte ich nicht fort, denn ich wollte die Michbaja nicht eher verlassen, als bis ich die El Homr und die Takaleh vor dem Raïs Effendina in Sicherheit wußte. Sie mußten mit den Kamelen an das jenseitige Ufer, wozu der ‚Falke‘ zu unbequem war, weil das Ein- und Ausschiffen der Tiere beschwerlich gewesen wäre. Es wurden dazu mehrere große Flöße gebaut, welche bei den vielen Händen, die es dazu gab, sehr schnell zusammengesetzt waren. Die Kamele wurden darauf geschafft, auch die, welche sich auf dem Schiff befunden hatten, und dann ging's an ein Abschiednehmen, welches nicht wenig Zeit in Anspruch nahm. Ich kürzte den meiner Person davon gewidmeten Teil dadurch ab, daß ich vor der Flut von Danksagungen die Flucht ergriff und erst dann an das Ufer zurückkehrte, als die Flöße schon weit von der Michbaja in der Mitte des Stroms schwammen. Am jenseitigen Ufer angelangt, brauchten die durch ihre Freiheit und die reiche Beute beglückten Leute nur grad nach Westen zu reiten, um auf den Karawanenweg von Abu Habble zu kommen.
Nun hinderte mich nichts mehr, die Halbinsel auch zu verlassen. Ich versammelte die Offiziere und Asaker, um zum letztenmal zu ihnen zu sprechen und ihnen meine letzten Weisungen zu geben. Sie hatten die gefangenen Händler und die befreiten Sklaven an Bord zu nehmen und die kurze Strecke bis zur Insel Talak chadra zu fahren, wo sie auf den Raïs Effendina warten mußten. Was dieser dann tun und wann und wie er nach Khartum kommen würde, das war mir zwar nicht gleichgültig, konnte es mir aber sein.
Den Abschied übergehe ich. Er wurde beiderseits nicht leicht, denn wir waren sozusagen während der langen Fahrt und den vielen, gemeinsam bestandenen Gefahren zusammengewachsen.
„Mit dir, Effendi, geht unsere Freude am Leben fort“, sagte ein alter Onbaschi, der sich stets mir sehr ergeben gezeigt hatte. „Ohne dich gibt's keine Lust an diesen Fahrten. Wenn wir nach Khartum kommen, schnalle ich den Säbel von der Seite. Allah sei mit dir, so oft und lange, wie wir an dich denken werden!“
Er fuhr sich mit beiden Händen über die Augen und machte sich auf die Seite. Es gab unter allen diesen
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