29 - Im Lande des Mahdi III
du ihn wirklich sicher, ganz sicher?“
„Ja. Sorge dich nicht! Aber Licht müssen wir haben.“
„Gleich, gleich! Ich eile; es soll im Augenblick hell werden! Ermorden! Uns! Dieser Schurke! Wir schicken ihn dafür in die Hölle; vorher aber bekommt er von mir hundert Peitschenhiebe dahin, grad dahin, wo sie ihm am wenigsten gefallen!“
Während er diese Worte des Zornes ausstieß, eilte er hinaus zum Herd. Ssali bewegte sich unter mir und griff nach meinen Händen; ich schlug ihm also die Faust an den Kopf, daß er die Besinnung verlor. Da flammte draußen das brennende Schilf auf und warf seinen Schein durch die vielen Ritzen des Flechtwerkes. Grad vor mir sah ich das Messer des Kurden liegen; er hatte uns also erstechen wollen. Ich hob es auf, schob es in meinen Gürtel und schleifte dann den Bewußtlosen hinaus an den Herd, wo inzwischen auch das Holz zum Brennen gekommen war. Während wir dort dem Ertappten die Füße zusammen- und die Hände auf den Rücken banden, erkundigte sich Halef:
„Aber, Sihdi, wie war es möglich, daß dieser Mensch uns, die wir doch seine Gäste waren, nach dem Leben trachten konnte?“
„Ich vermute, daß er ein Kurde ist und zum Stamm der Bebbeh gehört!“
„Maschallah, Wunder Gottes! Ein Bebbeh! Also Blutrache! Und doch hat er uns, bevor er sich schlafen legte, dem Schutz Allahs befohlen!“
„Um uns zu täuschen. Er wünschte uns aber einen langen Schlaf und hat damit höchstwahrscheinlich den Todesschlaf gemeint.“
„Jil'an dakno – verflucht sei sein Bart! Als ich mich niederlegte, hatte ich keine Lust, außerhalb dieser Erde aufzuwachen! Du hast dir und mir das Leben gerettet; wir sind dir also beide zum größten Dank verpflichtet. Wie aber ist es gekommen, daß es dir möglich war, die Mordtat zu verhüten?“
„Ich bin noch wachgeblieben, denn ich ahnte, was der Kerl für eine Absicht hatte.“
„Und hast mir nichts davon mitgeteilt, Sihdi?“
„Weil dir der Schlaf so nötig war, lieber Halef.“
„Oh, Effendi, was bist du doch für ein Mann! Du kannst streng und stolz sein wie der Herrscher in Istambul und doch im nächsten Augenblick auch wieder voller Milde, Güte und Freundlichkeit wie das Herz eines liebenden Weibes! Hoffentlich aber hört deine Freundlichkeit auf, wenn es sich um die Bestrafung dieses Mörders handelt!“
„Du befindest dich im Irrtum, wenn du ihn für einen Mörder hältst, denn es ist ihm ja nicht gelungen, uns das Leben zu nehmen.“
„Ja, ja; ich weiß, ich weiß! Da kommt wieder bei dir zum Vorschein, was du den guten Christen nennst. Wer dir bloß nach dem Leben trachtet, der ist ein ganz braver Mensch. Wer aber bei dir als Mörder gelten soll, der muß dich erst zehnmal totgeschlagen und dann noch zwanzigmal totgeschlagen haben, und selbst dann möchte ich wetten, daß du ihn noch unbestraft entkommen läßt; weil dein Ingil (Neues Testament) dir befiehlt, selbst deinen Feinden Liebe zu erweisen! Schau, da schlägt er die Augen auf! Nun wollte ich, ich dürfte die Peitsche nehmen und ihm hundert Piaster aufzählen, aber nicht silberne sondern lederne, die aus der Haut des Nilpferdes geschnitten worden sind. Doch, wie ich dich kenne, werde ich darauf wohl verzichten müssen. Es ist kein Blut geflossen und nach deiner Ansicht also gar nichts Böses geschehen. Allah, Allah! Was seid ihr Christen doch für sonderbare, unbegreifliche Menschen!“
Während der gute Halef in dieser Weise über mich und das Christentum klagte, war er im Innern selbst ein guter Christ, und die Seufzer, mit denen er meine Milde bejammerte, noch ehe ich sie hatte zeigen können, waren eigentlich nichts als ihm selbst unbewußte Aufforderungen an mich, Gnade walten zu lassen.
Ssali kam zu sich. Er sah uns erst, als er sich gefesselt fühlte, erstaunt an; dann, als ihm einfiel, was er beabsichtigt hatte und was geschehen war, stieß er einen Ruf des Schreckens aus, ohne ihm aber ein Wort folgen zu lassen. So lag er stumm, mit zusammengekniffenen Lippen vor uns; desto beredter aber waren seine Blicke, welche er voll Haß und Grimm auf uns richtete. Da fragte ich ihn: „Willst du auch jetzt noch behaupten, daß du in Damijeh geboren seist?“
Er antwortete nicht sogleich; dann aber zischte er wütend zwischen den Zähnen hervor:
„Die List gebot mir, die Unwahrheit zu sagen; aber denke ja nicht, daß ich nun aus Angst vor dir weiterlüge! Allah schien dich in meine Hand gegeben zu haben; ich habe mich in ihm geirrt.“
„Dies ist wohl
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