29 - Im Lande des Mahdi III
fragte:
„Sihdi, willst du diese Pferde wirklich borgen?“
„Natürlich! Oder können wir anders?“
„Nein. Auch ist es ein Streich, der mir außerordentlich gefällt. Ich mache mit Vergnügen mit. Aber was denkst du von dieser Wirtin?“
„Sie ist eine sehr kluge Frau.“
„Klüger, viel klüger als ihr Mann! Wer wird das Weib sein, dem wir folgen sollen?“
„Sie selbst.“
„Das denke ich auch. Der Kopf des Mannes gleicht oftmals einem leeren Beutel; im Kopf der Frau aber ist stets noch ein Piaster zu finden, und wenn der letzte herausgenommen worden ist, steckt immer noch ein allerletzter drin! Es ist nicht mehr lange bis zur Morgenröte. Wir müssen die Pferde haben, ehe es Tag geworden ist. Laß uns aufbrechen, Effendi!“
Wir nahmen unsere Gewehre, die Decken und jeder einen Sattel. Das Feuer beschäftigte immer noch alle Bewohner der Stadt. Wir kamen unbemerkt hinaus und bis an das bezeichnete Haus. Dort stand eine tief verhüllte Frau, welche einen Stock oder Pfahl in der Hand hatte. Es war natürlich die Wirtin, welche uns Hilfe leistete, ohne es später geständig sein zu wollen. Als sie uns kommen sah, ging sie weiter, und wir folgten ihr. Die Feuersbrunst war jetzt noch so groß, daß sie uns leuchtete.
Es ging auf bald schmalen und bald breiteren Wegen zwischen den Häusern und Hütten hin, bis wir den Ort hinter uns hatten. Da erreichten wir einen aus Dornen bestehenden langen Zaun, in dessen Mitte die etwa zwanzig Schritte vor uns hergehende Frau stehen blieb, um den Pfahl anzulehnen; dann huschte sie seitwärts fort. Als wir die Stelle erreichten, sahen wir eine Pforte, welche nicht verschlossen, sondern angelehnt war. Wir gingen zunächst einige hundert Schritte weiter, bis wir im freien Feld einen Steinhaufen fanden, wo wir die Sättel und Gewehre niederlegten. Dann zur Pforte zurückgekehrt, schoben wir sie auf, hinter uns wieder zu und traten in den Garten.
Der Schein des Feuers wirkte hier nicht mehr so wie vorher, dennoch sahen wir die Bäume, den Kiosk und nicht weit von dem letzteren eine Art von Verplankung, nach der wir uns schlichen. Wir erreichten sie ungestört; die Diener schienen sich ebenso wie ihr Herr entfernt zu haben. Die beiden Pferde standen hinter den Planken, an Pfahle angebunden. Wahrscheinlich wußte der Apotheker nicht, daß gesunde Pferde sich des Nachts zu legen pflegen. Der Eingang zur Verplankung war bald gefunden. Wir gingen hinein und banden die Pferde los. Es waren zwei Grauschimmel, die sich zwar erst etwas sträubten, sich aber unsern Liebkosungen so zugänglich zeigten, daß sie uns dann willig folgten. Wir brachten sie glücklich hinaus und bis zu dem Steinhaufen, wo wir ihnen die Sättel auflegten.
Jetzt waren sie unser, und kein Mensch wäre imstande gewesen, sie uns wieder wegzunehmen. Wir hatten sie grad zur rechten Zeit bekommen, denn im Osten zeigte sich der fahle Schein des neuen Tages.
„Allah sei Dank; wir haben Pferde!“ sagte Halef. „Und ich glaube, die Frau hat recht gehabt! Diese Grauschimmel scheinen von keinen schlechten Ahnen zu stammen. Aber nun fragt es sich, nach welcher Richtung wir uns zu wenden haben. Wie denkst du darüber, Sihdi?“
„Ich denke daran, daß die Kelhurkurden das Feuer angelegt haben, um uns und die Bewohner von Khoi nach der Brandstätte zu locken. Werden sie dazu einen Ort gewählt haben, an dem sie dann mit unseren Pferden vorüber mußten?“
„Gewißlich nicht; sie werden vielmehr dafür gesorgt haben, daß ihr Weg nach der entgegengesetzten Richtung liegt.“
„Nun, in dieser entgegengesetzten Richtung befinden wir uns jetzt. Reiten wir zehn Minuten langsam in derselben fort, so wird zwar der Schein der Feuersbrunst verschwunden, dafür aber der Morgen so hell geworden sein, daß wir nach den Spuren der Diebe suchen können. Sind diese gefunden, so verlieren wir sie sicherlich nicht wieder. Komm!“
Ich stieg auf, und Halef folgte meinem Beispiel. Dabei bemerkten wir, daß die Pferde Temperament besaßen und wohl seit langem keinen Reiter getragen hatten; sie mußten aber gehorchen. Noch waren die zehn Minuten nicht vergangen, so sahen wir seitwärts ein Pferd liegen. Wir ritten hin, und ich stieg ab, den Kadaver zu untersuchen. Man hatte es in den Kopf geschossen und zwar nicht früher als in dieser Nacht, denn das Blut, in dem es lag, war noch nicht ganz geronnen. Warum war es erschossen worden? Ich setzte meine Untersuchung fort und entdeckte sehr bald, daß es nicht weitergekonnt
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