29 - Im Lande des Mahdi III
hatte, weil ihm ein Bein zerschlagen worden war.
„Halef, wir haben die Fährte schon!“ rief ich, erfreut über diesen schnellen Erfolg. „Sieh die Fußspuren hier an der Erde! Fußspuren von Menschen und Fußspuren von Pferden!“
„Aber ob es die Kurden gewesen sind?!“
„Ganz gewiß! Diesen Fund haben wir meinem Rih zu verdanken.“
„Wieso, Effendi?“
„Der Rappe verweigert, wie du weißt, fremden Leuten den Gehorsam; er ist nicht leicht fortzubringen gewesen, und gar aufsitzen, das hat niemand wagen dürfen. Sie hatten aber Eile, und da mögen sie ihn gedrängt, vielleicht gar mißhandelt haben; da hat er nach seiner Weise um sich geschlagen und diesem Pferd das Bein zerschmettert. Sie konnten es nicht mitnehmen, sondern mußten es erschießen und hier liegen lassen.“
„Ja, Sihdi, so mag es gewesen sein. Die Spur ist gefunden, und ich hoffe zu Allah, daß wir unsern herrlichen Rih bald wiederhaben werden. Denkst du, daß ihr Vorsprung ein sehr großer ist?“
„Der Zeit nach läßt er sich genau bestimmen, nämlich vom Anfang des Brandes bis jetzt; die Entfernung aber können wir nicht so genau wissen. Sie haben sich gewiß beeilt; aber wir müssen auch die Widersetzlichkeit des Rappen mit in Betracht ziehen. Dieses kluge Tier weiß ganz genau, daß es uns entführt worden ist, und wird sich auf alle Weise wehren; schlägt man es, dann um so schlimmer, denn dann geht es erst recht nicht von der Stelle. Wenn es noch ein wenig heller geworden ist, werde ich die Fährte genauer bestimmen können, der wir nun folgen wollen.“
Ich stieg wieder in den Sattel, und wir ritten weiter, den Spuren nach, die so deutlich waren, daß wir sie gar nicht verfehlen konnten, obgleich der Tag erst zu grauen begonnen hatte und von einer eigentlichen Helle noch keine Rede war.
Unser Weg führte uns nach Norden. Die Kurden hatten alle Wege sorgfältig vermieden und überhaupt, wie wir aus verschiedenen Anzeichen erkannten, eine für sie ganz ungewöhnliche Vorsicht entwickelt. Als Halef sich darüber wunderte, erklärte ich ihm:
„Sie wissen, mit wem sie es zu tun haben. Der Scheik hat in seinem Übermut der Wirtin alles mitgeteilt und, wie er wohl auch wissen wird, durch seinen Hohn unsere Tatkraft herausgefordert. Er muß sich sagen, daß wir alles mögliche tun werden, wieder zu unseren Pferden zu gelangen, und ihm also folgen werden. Da muß er sich nun nach allem, was er von uns gehört hat, sagen, daß er Leute hinter sich hat, welche eine solche Verfolgung in ganz anderer Weise betreiben als die gewöhnlichen Bewohner dieser Gegend. Daher die Vorsicht, deren er sich in jeder Beziehung zu befleißigen scheint. Aber, so groß sie auch ist, mit unserer Erfahrung kann er sich doch nicht messen. Wir sind ihm, wenn wir von der Zahl der Personen absehen, auf alle Fälle überlegen.“
„Da hast du recht, lieber Sihdi“, nickte der Hadschi zustimmend. „Du hast es jenseits des großen Meeres im Bilad Amirika (Amerika) gelernt, wie man eine Fährte zu lesen und ihr zu folgen hat, und bist in dieser großen Kunst nun hier mein Lehrmeister gewesen. Wir werden zwar, weil wir nur zwei Personen sind, etwas wagen müssen, aber unsere Pferde ganz gewiß wiederbekommen. Denn ein Ausbund von Klugheit ist dieser Scheik der Kelhur nicht; das hat er ja heute Nacht bewiesen.“
„Wodurch?“
„Dadurch, daß er unsere Gewehre und Sättel nicht beachtet hat. Denke nur, wie kostbar dein Reschma ist! So ein Sattel- und Riemenzeug kann kein Kelhur-Kurde haben. Diese Kerls müssen ja geradezu mit Blindheit geschlagen gewesen sein, daß sie sich diesen Schatz und Schmuck entgehen ließen!“
„Es ist aber sehr leicht zu erklären, wie das geschehen konnte. Erstens haben sie es sehr eilig gehabt, denn wir konnten wiederkommen, ehe sie fort waren, und da es nur auf meinen Rih abgesehen war, fühlten sie sich befriedigt und nahmen sich nicht die Zeit, weiter zu forschen, als sie ihn hatten. Und zweitens ist es hinter der Schirmwand in unserer Abteilung dunkel gewesen, so daß sie in der Eile die Gegenstände, welche noch da lagen, gar nicht gesehen oder beachtet haben. Höchstwahrscheinlich hat ihnen Aqil, als sie ihn zum Geständnis zwangen, von dem Reschma nichts gesagt.“
„So wollte ich, er sagte es ihnen jetzt. Wie würden sie sich darüber ärgern, daß sie sich eine so reiche Beute haben entgehen lassen! Mögen sie dafür in der Hölle auf Sätteln reiten müssen, welche aus glühendem Eisen bestehen und mit den
Weitere Kostenlose Bücher