29 - Im Lande des Mahdi III
sonst hervorragenden Person versichert, so kann man fordern, anstatt bitten zu müssen. Übrigens denke ich, daß wir nun sehr bald sehen werden, woran wir mit den Kelhur sind, lieber Halef. Wenn das Kismet bestimmt hat, daß du heut ein Heldenstück spielst, so wird in kurzer Zeit der Vorhang sich bewegen.“
„Denkst du?“ fragte er geschmeichelt. „Was das Kismet will, soll geschehen. Ich werde als Batal (Held) alles tun, um mir deine Zufriedenheit und deinen Beifall zu erringen. Doch warum denkst du, daß der Vorhang sich schon bald heben wird?“
„Die Finte des Scheiks bringt mich auf diesen Gedanken. Warum hat er sie nicht gleich in der Gegend von Khoi ausgeführt? Ich vermute doch, daß wir es mit einem ganzen Lager und nicht nur mit einer flüchtigen Abteilung des Kelhur zu tun haben. Den Hauptstreich, uns von diesem Lager abzuhalten, hat er – auch wieder nicht pfiffigerweise – unternommen, als er in der Nähe desselben angekommen war. Paß auf; wir werden gar nicht mehr weit zu reiten haben!“
Das Tal, in welchem wir uns befanden, machte eine so scharfe Biegung nach links, daß sie einen spitzen Winkel bildete. Die Kurden waren dieser Biegung nicht gefolgt, sondern die Seite des Tales, an welche der Winkel stieß, hinaufgeritten. Halef wollte, ohne anzuhalten, weiterreiten, ihnen nach; ich hielt ihn aber zurück und sagte:
„Halt! Wenn wir uns, wie ich vermute, in der Nähe des Lagers befinden, und wenn der Scheik annimmt, daß wir ihn verfolgen, so steht zu erwarten, daß er hier Wachen ausgestellt hat, die uns entweder kurz wegputzen oder ihm unsere Annäherung melden wollen. Wir müssen also vorsichtig sein. Du bleibst also hier zurück und hältst mein Pferd, während ich mich zu Fuß weiterschleiche, um die Sicherheit des weiteren Weges zu erkunden. Du verläßt die Stelle hier auf keinen Fall eher, als bis ich wiederkomme oder dich dort von der Höhe aus zu mir rufe!“
Ich stieg vom Pferd, übergab ihm die Zügel und klomm an der Lehne des Tales empor, wo es wieder Bäume und Sträucher gab, die ich als Deckung benutzen konnte. Indem ich dabei die Fährte der Kurden im Auge behielt, konnte ich keine einzelne Spur entdecken, die von derselben abgewichen war. Droben gab es Felsen mit Fichtenwald, in welchem einzelne Eichen eine freundliche Abwechslung hervorbrachten. Da folgte ich der Fährte wohl über eine Viertelstunde lang; sie blieb ungeteilt, und es wich auch hier kein Stapfen von ihr ab. Schon wollte ich nun umkehren, da bemerkte ich, daß der Wald sich abwärts zu senken begann. Die Fährte führte links nach einer Bodenrinne; rechts stieg ein Felsstück wie ein halb eingefallener Wartturm aus den Büschen auf; zu diesem ging ich hin und kletterte hinauf. Hatte ich erwartet, von da aus einen Ausblick zu gewinnen, so sah ich mich nicht getäuscht. Der Fuß des Berges ging in eine grüne Ebene über, durch welche ein Bach floß, der in der erwähnten Rinne zu entspringen schien. Ziemlich weit draußen in dieser Ebene befand sich, vom Bach durchflossen, das Kurdenlager, oder vielmehr, es hatte sich dort befunden, denn ich sah beim ersten Blick, daß es aufgehoben worden war. Es bewegte sich dort alles geschäftig, ja eilig durcheinander. Ich sah lediglich Menschen und Pferde; ich sah Reiter, welche bereits im Sattel saßen; Frauen gab es nicht und andere Tiere als Pferde auch nicht. Es handelte sich also nicht um ein gewöhnliches Wohnlager, an welchem die Frauen und Herden teilnehmen, sondern es hatten nur Männer hier gewohnt, und zwar nicht in Zelten, sondern unter leicht zu errichtenden Zweig- und Blätterdächern, die auf je vier Pfählen ruhten. Um einen Jagdzug konnte es sich nicht handeln, um einen Kriegszug, welcher die hiesige Gegend betraf, auch nicht; für jetzt war mir der Aufenthalt der Kelhur hier ein Rätsel, bis ich dann erfuhr, daß sie einen Raubzug nach jenseits der Masaraberge beabsichtigt hatten, um die Bewohner der persischen Grenze zu brandschatzen. Es waren ganz gewiß dreihundert Krieger beisammen, welche außer ihren Reitpferden wenigstens fünfzig Maultiere bei sich hatten, die mit Packsätteln versehen waren. Die großen, hellen, oft vier Fuß im Durchmesser haltenden Turbane gaben diesen Leuten das Aussehen, als ob sie Kürbisse auf den Köpfen trügen. Ich versuchte, mein Pferd zu entdecken, was aber bei dem Gedränge, welches es dort gab, unmöglich war.
Halb befriedigt und halb enttäuscht, kehrte ich nun zurück, doch nicht ganz zu Halef; ich
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