29 - Im Lande des Mahdi III
blieb vielmehr oben auf der Seite des Sandtales stehen und rief ihm zu, heraufzukommen. Er folgte diesem Ruf und erkundigte sich, als er bei mir ankam und mir das Pferd übergab:
„Hast du Wachen entdeckt, Sihdi?“
„Nein.“
„Aber wohl das Lager?“
„Ja.“
„Welch eine Unvorsichtigkeit von Schir Samurek! Er mußte doch unbedingt durch Wächter dafür sorgen, daß wir uns seinem Lager nicht so leicht und unbemerkt nähern können!“
„Er hat das nicht für nötig gehalten, weil das Lager abgebrochen wird.“
„Was? Abgebrochen? Sie wollen fort?“
„Ja. Er scheint gleich bei seiner Ankunft den Befehl zum Aufbruch gegeben zu haben.“
„Wohin wollen sie?“
„Das kann ich natürlich nicht wissen; wir werden es aber erfahren, denn wir folgen ihnen so lange, bis wir unsere Pferde wiederhaben.“
„Ich hoffe zu ihrem Wohl, daß dies noch heut geschieht, denn wenn ich länger warten muß und mir die Geduld vergeht, so schieße ich sie alle über den Haufen. Wenn sie Pferde stehlen wollen, so habe ich nichts dagegen, denn der Pferderaub gilt bei ihnen für eine mutige und lobenswerte Tat; aber wenn sie, obgleich es auf der Erde Millionen von Pferden zu stehlen gibt, grad nur nach den unserigen verlangen, so habe ich sehr viel dagegen und werden ihnen zeigen, was es für schlimme Folgen hat, wenn man mich zwingt, mich auf den Rücken eines At el Attar (Apothekergaul) zu setzen!“
„Sei doch froh, daß wir diese Grauschimmel bekommen haben; wir hätten viel schlechtere erwischen können!“
„Ist das ein Trost? Wir haben sie zwar nicht gestohlen, sondern nur geliehen; aber bis wir sie dem Giftmischer zurückgegeben haben, werde ich mich als Spitzbube fühlen, und daran sind diese Kelhur schuld. Mögen sie dafür in der Hölle und in alle Ewigkeit Besitzer von Pferdeherden sein, die ihnen täglich zehnmal gestohlen und nie wieder zurückgegeben werden!“
Wir ritten nun bis zu dem Felsen, von welchem aus ich vorhin meine Beobachtungen gemacht hatte, banden unten unsere Pferde an und stiegen hinauf, um das Kurdenlager zu überblicken. Wir waren grad zur rechten Zeit gekommen, um noch zu sehen, daß die Kelhur fortzogen. Sie bildeten, zu zweien oder dreien nebeneinander reitend, ein langes, schmales Band, das sich über den grünen Plan bewegte und dessen Spitze schon fast den Horizont erreicht hatte.
„Da ziehen sie hin, die Schurken, die Schufte“, grollte Halef zornig, „und wir stehen hier und gucken hinter ihnen her, den Schnurrbart leckend wie hungrige Hunde, denen der lebendige Braten auf vier Beinen davongelaufen ist! Aber wartet nur eine kleine Weile; dann werden wir über euch kommen wie zwei grimmige Löwen über die Mäuse und euch so in den Rachen nehmen, daß euch die Rippen krachen und die Arme und Beine hüben und drüben abgebissen herunterfallen! Ich bin ein guter Mensch, ein seelensguter Mensch; ich bin froh, daß ich sogar die Diebe noch für Menschen halte; aber ist das etwa ein Grund, mich selbst auch zu bestehlen? Grad diese meine Milde und Güte sollte jeden Spitzbuben abhalten, sich an meinem Eigentum zu vergreifen! Aber ganz im Gegenteil, diese Halunken haben sich grad die zwei besten Menschen ausgewählt, um ihnen die Pferde zu rauben. Fordert das nicht die doppelte, die dreifache Rache heraus, Effendi? Schau, dort schlängeln sie sich fort und zwingen unsere Lieblinge, mit ihnen zu laufen! Wer weiß, was für ein stinkiger Kerl nun auf dem meinigen sitzt! Du freilich kannst das süße Gefühl der wohltuenden Überzeugung haben, daß der Rücken deines Rih von keiner kurdischen Fortsetzung des menschlichen Rückgrates berührt werden kann; denn wer da wagen wollte, dies zu versuchen, der müßte, um sie später wiederzufinden, seine Glieder vorher im Buch des Lebens verzeichnen lassen. Der Zorn kocht in meiner Seele, und der Grimm dampft in meinem Herzen. Wenn ich den Kerl erfahre und erwische, der auf meinem Pferd gesessen hat, den zerschneide ich von oben herab in zwei ganz gleiche Hälften, so daß er niemals wieder reiten kann, sondern sobald er aufgestiegen ist, zu beiden Seiten wieder herunterfällt! Bei Mohammed, dem Propheten, das werde ich tun, das werde ich ganz gewißlich tun!“
Es läßt sich denken, daß auch ich nicht gut auf die Pferderäuber zu sprechen war; aber der Zorn Halefs wirkte komisch auf mich, und seine Ausdrucksweise war so drollig, daß ich mir wieder einmal Mühe geben mußte, das Lachen zu verbeißen. Und im Arabischen war seine Rede
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