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290 - In den Gärten von Sha'mar

290 - In den Gärten von Sha'mar

Titel: 290 - In den Gärten von Sha'mar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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Blicken war.
    Zaraa machte sich auf den Weg. Ein Jünger Oguuls beobachtete sie, auf eine der rituellen Lanzen gestützt. Er fragte nicht nach ihrem Woher oder Wohin. Er wusste, dass es aus den Gärten von Sha'mar kein Entkommen gab.
    Zaraa senkte ihren Kopf, wie es von ihr verlangt wurde, und als sie die nächste Abzweigung passierte, huschte sie einen der verbotenen Wege über die Wasserstraßen entlang und bog ab, hin zu den Kavernen, in denen die Wilde Frau gefangen gehalten wurde.
    Sie begegnete drei weiteren Jüngern. Niemals wurde sie aufgehalten, niemand fragte sie nach ihrem Begehr. In der Ferne hörte sie Wasser in einen der giftigen Brunnen plätschern. Der Klang war ganz anders als jener, der gesundes Wasser verhieß.
    Da! Der Eingang!
    Zaraa blieb stehen und lauschte. Nein, es war nichts zu hören. Einige Männer befanden sich auf Patrouille, und sie würden im Laufe ihrer Runden auch hier irgendwann vorbeikommen. Die Gefahr einer Begegnung bestand; doch irgendwann, so hoffte sie, musste ihre Pechsträhne doch reißen!
    Sie schlüpfte durch den Eingang und achtete tunlichst darauf, den laut knarrenden Holzdielen auszuweichen, vor denen man sie gewarnt hatte.
    Es ging sanft bergab. Ringsum wurde es dunkler und dunkler. Das Licht der Morgendämmerung, das von oben herab drang, verlor sich allmählich.
    Links von ihr hörte sie ein erbärmliches Schluchzen. Es stammte von einer Kindsfrau, die in ihrer Verzweiflung nach ihrer Mutter rief.
    Zaraa ließ sich nicht ablenken, durfte sich nicht ablenken lassen! Sie benötigte eine Verbündete. Eine, die stark genug war, um ihr zu helfen. Um den Knoten der Verwirrung in ihrem Kopf zu lösen und ihr zu sagen, was sie zu tun hatte.
    Sie zog das kleine Glimmerlicht aus dem weiten Faltenwurf ihres Sari hervor und hielt es vor sich hin. Kohlestücke glosten in einem wertvollen Glasbehälter vor sich hin und warfen ein warmes, nicht allzu starkes Licht, mit dessen Hilfe sie ihre unmittelbare Umgebung ausmachen konnte.
    Sie sah von Feuchtigkeit bedeckte Wände. Gänge, so niedrig, dass selbst sie Mühe hatte, sich aufrecht vorwärts zu bewegen. Fingerlange weiße Maden verschwanden, vom Lichtschein aufgeschreckt, in Ritzen und Löchern, ebenso wie Käfer und Spinnentierchen. Aus achtlos angehäuften Erdhügeln ragten blanke, abgenagte Knochen hervor…
    Zaraa hielt sich links. Hoffentlich verwirrte nicht einer der vier Großen Dämonen ihre Sinne! Rakshasaa war dafür bekannt, sich insbesondere auf verängstigte Frauen zu stürzen und sie in die Irre und ins Unglück zu leiten.
    Wenn die Wilde Frau doch etwas sagen würde! Warum hatte sie aufgehört zu schreien? Ein Ton, ein einziges Wort würde Zaraa helfen, den Weg zu ihr zu finden.
    Rechts nun. Drei Wege gingen vom schmalen Gang ab. Drei, wo sich nur ein einziger befinden sollte… Wohin musste sie sich wenden? Ein Durchgang war von Spinnweben bedeckt, die sicherlich älter als ein Tag waren. Vor dem mittleren entdeckte sie mehrere Fußabdrücke; zu viel, um zum Verlies einer lebendig Begrabenen zu führen.
    Zaraa vertraute ihren Wahrnehmungen - und ihrem Bauchgefühl. Sie wählte den hintersten Weg. Er führte steil abwärts, über ausgetretene, kaum mehr als solche erkennbare Stufen.
    Frostiger Wind pfiff ihr entgegen, fegte durch ihr Haar und verwirbelte es.
    Hier unten herrschte eine Kälte, die sich, wenn man sich ihr allzu lange aussetzte, tief in die Knochen fraß.
    Ein Geräusch! Schlurfende Schritte! Jemand kam ihr entgegen!
    Zaraa sah sich um, drehte den Kopf panisch von einer Seite zur anderen und suchte nach einem Versteck.
    Da! Eine Nische, kaum als solche erkennbar, von grünem und weißem Schlick überwachsen.
    Nur nicht nachdenken, was sich dahinter befand! Zaraa quetschte sich in die glitschige Masse und ließ zu, dass sie sich um ihre Arme und Beine schloss, sie fast vollends einpackte. Sie klemmte das Glimmlicht zwischen ihren Oberschenkel. Es fühlte sich warm an; die Hitze bewahrte sie davor, inmitten dieser widerlichen, sich wie lebend anfühlenden Gewächse den Verstand zu verlieren.
    Die Schritte kamen näher. Zaraa schob den Kopf weiter zurück, verschwand noch tiefer im Pflanzenschlick.
    Flackerndes Licht tanzte über ihr Gesicht. Geblendet schloss sie die Augen. Ich bin gar nicht hier , dachte sie, also kann mich der Wächter nicht sehen! Ich bin ganz woanders; zurück im heimatlichen Dorf, um meinen Liebsten zu treffen. Wir laufen durch die Felder, genießen die wärmenden Strahlen der

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