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290 - In den Gärten von Sha'mar

290 - In den Gärten von Sha'mar

Titel: 290 - In den Gärten von Sha'mar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
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Sonne, streifen mit den Fingern durch die Riis-Halme… Er küsst und streichelt mich, und er macht, dass ich alles vergesse, das mit diesem Alptraum zu tun hat. Es ist nie geschehen, es geschieht nicht, es wird nicht geschehen…
    Sie konnte nicht anders; sie musste die Augen öffnen und sehen, welcher Art die Gestalt war, die in diesen unheiligen Tiefen spazierte und eine fröhlich klingende Melodie pfiff.
    Ein Mann passierte sie. Er ging bucklig und vornüber gebeugt. Auf seinem Kopf thronte ein Buz mit armlangen, gedrehten und scharf geschliffenen Hörnern, an denen dunkle Blutkrusten klebten. Seine Beine waren vernarbt und dunkel, die Finger ähnelten Krallen.
    Etwas kitzelte ihre Nase. Ein Käfer bohrte sich aus der sie umgebenden Schlickmasse und kroch langsam, fast beschaulich ruhig über ihr Gesicht. Er verbreitete einen grässlichen Gestank, viel stärker, als es einem derart kleinen Geschöpf gebührte!
    Warum ging der Mann nicht weiter? Warum stockte er? Hatte er sie entdeckt?
    Zaraa stand kurz davor, zu niesen. Der Juckreiz war kaum noch auszuhalten. Der Käfer hatte sich eines ihrer Nasenlöcher als Ziel auserkoren. Er krabbelte darauf zu, tastete mit seinen feinen Fühlern über die Öffnung, wollte hineinkriechen. Das Gefühl war zum Verrücktwerden!
    Der Mann mit dem Buz-Schädel hatte aufgehört zu summen. Er sah sich irritiert um, vielleicht eine Schrittlänge von ihrer Nische entfernt, klopfte mit den Händen an Brust und Oberschenkel, über verschmutzte Fellkleidung. Was tat er bloß? Suchte er eine Waffe, um sie ihr ins Herz zu rammen?
    »Gut«, hörte sie ihn mit dumpfer Stimme sagen, als er laut klimpernde Metallteile ertastete - und endlich, endlich seinen Weg nach oben fortsetzte.
    Der Käfer war indes in Zaraas Nase gekrochen. Mehrere Würmer glitten über ihre Augen und schleimten sie ein, hinterließen schmerzende Spuren. Überall an ihrem Körper kribbelte es. Zaraa meinte von Tausenden Tierchen befallen zu sein, die allesamt nur eines im Sinn hatten: sie bei lebendigem Leib aufzufressen.
    Der Mann verschmolz mit der Dunkelheit. Er hatte wieder zu summen und zu brummen begonnen, und kaum erlosch die letzte Ahnung seines Lichts, riss Zaraa sich aus dem Pflanzenschlick. Sie fasste nach dem Glimmlicht, bevor es zu Boden gleiten konnte, warf sich gegen die gegenüberliegende Wand, reinigte ihren juckenden Körper von allem, was sich darauf angesammelt hatte.
    Der Käfer in ihrer Nase! Sie blies durch, so kräftig sie konnte. Einmal, zweimal… Der Pfropfen weigerte sich, zum Vorschein zu kommen, ganz im Gegenteil: Er trachtete danach, noch tiefer in sie hinein zu kriechen…
    Zaraa sammelte so viel Luft wie möglich in ihrem Rachen, stieß sie durch die Nase - und tatsächlich schoss ein kleiner Klumpen hervor, um klackernd auf dem Boden aufzuprallen. Sie zertrat das hässliche Ding, bevor es sich in eine Bodenritze retten konnte. Es stand stellvertretend für all die anderen Viecher, die sich an ihrer Haut und in ihren Haaren festgesetzt hatten.
    War sie zu laut gewesen? Würde der Mann mit dem Buz zurückkehren? Zaraa lauschte in die Dunkelheit.
    Es blieb ruhig. Sie hatte es tatsächlich geschafft.
    Die junge Frau atmete tief durch, bevor sie ihren Weg nach unten fortsetzte. Ihre Beine und Arme zitterten, und hätte sie die Wahl gehabt, wäre sie wohl wieder an die Erdoberfläche zurückgekehrt. Doch sie war zu weit gekommen, hatte bereits zu viel gewagt. Es gab kein Zurück mehr.
    Vorsichtig tastete sie sich weiter vor, Stufe für Stufe. Endlich nahm die Treppe ein Ende. Links und rechts zweigten weitere Gänge ab. Aufs Geratewohl nahm sie den Weg zur Herzseite - und stieß nach wenigen Schritten auf den Zugang zu den Erdlöchern. In jene Bereiche, in denen die Feinde Oguuls lebendig begraben wurden.
    Zaraa hielt das Licht so hoch wie möglich, als sie eines der Opfer dieser grausamen Behandlung ansichtig wurde. Frauen allen Alters steckten hier, manche von ihnen tot, die anderen halb wahnsinnig oder gerade im Begriff, den Rest ihres Verstandes zu verlieren. Allesamt waren sie von den Tieren der Dunkelheit übersät, die sich an ihrer Beute gütlich taten.
    Zweimal am Tag war es ausgewählten Frauen erlaubt, hier herabzukommen, um das Leid dieser armen Kreaturen zu lindern und ihnen, so gut es ging, die Tiere vom Kopf und vom Hals zu nehmen. Manch eines der Opfer bat darum, sterben zu dürfen. Denn die Qual würde von neuem beginnen, sobald das Licht der Dunkelheit wich. Die Käfer und

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