290 - In den Gärten von Sha'mar

in Ehren, Xij, aber bei unserem Glück ziehen wir dich durch eine Rotte schlafender Riesenechsen und können später deine Überreste aus der Schlinge pulen.«
    »Außerdem herrscht auch am Boden dichter Nebel«, fügte Rulfan hinzu. »Du könntest die Nohq'was in einigen Dutzend Metern passieren und würdest sie nicht bemerken.«
    »Dann eben nicht.« Xij tat so, als würde sie schmollen, aber ihr war anzumerken, dass sie über die Ablehnung nicht unfroh war.
    »Wir machen das Luftschiff fest und warten bis zum Morgen in der Hoffnung, dass sich der Nebel dann auflöst«, entschied Matt Drax.
    »Von mir aus«, antwortete Xij missmutig und zog sich in die hinterste Ecke des Abteils zurück. Sie krümmte sich zusammen, und schon wenige Sekunden später verriet ihr regelmäßiger Atem, dass sie eingeschlafen war.
    »Sie scheint keine Angst zu kennen«, sagte Rulfan leise.
    »Was ich nicht unbedingt für die beste aller Tugenden halte.« Matt verfolgte, wie sein Blutsbruder die Leistung der leise vor sich hin brummenden Motoren auf ein Minimum reduzierte. »Angst bedingt Vorsicht, und Vorsicht sichert unser aller Leben.«
    »Weise Worte«, sagte Rulfan und grinste. »Du hast viel gelernt während der letzten zehn Jahre.«
    »Offenbar nicht genug«, murmelte Matt. »Andernfalls hätte ich Aruula nicht verloren.«
    Rulfan blickte zu Boden, sagte aber nichts.
    Der Zeppelin kam zu einem Halt und schwebte langsam tiefer. Rulfan ließ ihn absinken, bis sich die knorrigen Äste von Bäumen aus dem Bodennebel schälten. Dann löste er die vier Halteseile aus. Matt entrollte die Strickleiter. Er und Alastar stiegen aus und machten das Luftschiff an den Bäumen fest. Es dauerte länger als sonst, weil sie sich über den unsicheren Grund tasten mussten.
    »Ich übernehme die erste Wache«, sagte Rulfan, als sie an Bord zurückkehrten. »Ich wecke dich in zwei Stunden, Matt. Sieh zu, dass du Schlaf findest.«
    Matt nickte und zog sich in seine Koje zurück. Ob er tatsächlich zur Ruhe kommen würde? Er hatte genug geschlafen; dreißig Stunden zu viel. Er trug Schuld, dass Aruula entführt worden war und womöglich von irgendwelchen Verrückten geopfert wurde.
    Wie die Nebelgespinste draußen vor den Fenstern, so krochen Schreckensvisionen in seinen Geist. Lange lag er wach, bis er schließlich doch in einen unruhigen Schlaf fiel, und als ihn Rulfan Stunden später wachrüttelte, war er heilfroh darüber.
    ***
    Sonne! Frische Luft! Das Krächzen jagender Vögel weit über ihnen. Licht, das sich auf weiten Wasserflächen spiegelte und ihnen so etwas wie Beschaulichkeit vorgaukelte.
    Sie hatten den Zeppelin im dichten Nebel nicht weit vom Ufer des Indus festgemacht, ohne es zu bemerken.
    Alastar, der den letzten Wachdienst übernommen hatte, reckte die Arme schläfrig in die Höhe. »Wasser, so weit das Auge reicht«, kommentierte er. »Wir haben den Strom erreicht, ohne es auch nur zu ahnen. Womöglich wären wir darüber hinweg geflogen, hätten wir das Luftschiff nicht gestoppt.«
    »Gut möglich.« Rulfan schätzte die Entfernungen ab. »Der Fluss hat hier eine Breite von mehreren Kilometern. Seht nur die Mündung dieses Nebenarms…« Er deutete auf eine breite Landzunge, die auf zwei Seiten von unterschiedlich gefärbtem Wasser beleckt wurde. Blau und Grau trafen aufeinander, vermengten sich und flossen dann in einem noch breiteren, noch mächtigeren Bett weiter Richtung Süden.
    »Die Pforte!«, rief Mowgra aufgeregt und wies in Richtung der Landzunge. »Der Finger Vishnaas! Wir haben ihn gefunden!«
    Sie lösten die Halteseile und Rulfan ließ den Zeppelin höher steigen, um die Wasser-Wüstenei samt ihren Landinseln noch besser überblicken zu können.
    »Die Landzunge sieht tatsächlich wie ein nach unten gekrümmter Finger aus«, sagte Matt. »Das Festland dahinter verbreitert sich und wird zu einer riesigen Insel, die wiederum von unzähligen winzigen Gewässern unterbrochen wird. Ich vermute, dass sie mehrere tausend Quadratkilometer groß ist. Kein Wunder, dass man die Gärten von Sha'mar inmitten dieses Dschungels nicht so ohne Weiteres entdecken kann.«
    Das Land nördlich der Pforte war von kräftigem Grün bedeckt, von Sträuchern und Bäumen, die gewiss eine Höhe von dreißig oder mehr Metern erreichten. Die Farbe der Gewächse wirkte ungewöhnlich kräftig angesichts des blassen Pflanzenwerks, das ringsum wuchs oder den Indus in Form von kleinen Inseln sprenkelte.
    »Ob die Nohq'was die Pforte bereits erreicht