2931 - Verbrechen ohne Ausweg
dass es ein schneller Tod sein würde. Das Ende seiner entsetzlichen Angst und seiner immer stärker werdenden Schmerzen.
Irgendwo im Raum bellte ein Schuss auf. Das Echo hallte laut von den Wänden wider.
Knife zuckte zusammen, nicht vor Schmerzen, sondern aus Verwunderung. Er drehte sich um.
Price stand hinter dem Tisch mit der Whiskeyflasche. In seiner rechten Faust hielt er eine Pistole. Wahrscheinlich hatte er die Waffe unter dem Polster seines Sessels versteckt gehabt. Einer der vielen Menschen in den Staaten, die einem Einbrecher nicht hilflos und unbewaffnet gegenüberstehen wollten.
Wieder feuerte Price.
Diesmal spürte Knife den Einschlag der Kugel in seiner rechten Schulter. Er taumelte einen Schritt zurück. Es wurde ihm nicht bewusst, dass er sein Messer fallen ließ.
Auf den dritten Schuss wartete er nicht. Er stieß Monroe zur Seite, riss die Tür auf und stürzte hinaus.
Wieder krachte ein Schuss hinter ihm. Die Kugel verfehlte ihn und schlug irgendwo im Treppenhaus in die Wand.
Knife hetzte die Treppe hinunter.
Price ließ die Waffe sinken. »Ich habe ihn getroffen«, sagte er. »Aber nicht gut genug. Früher wäre der Bursche nicht lebend davongekommen. Bin wohl ein wenig aus der Übung.«
»Oder du säufst zu viel«, murmelte Monroe mit einem Blick auf die halbleere Whiskeyflasche. Er blickte sich gehetzt um. »Ich muss weg!«, stieß er hervor. »Der Kerl findet mich überall. Jetzt, da er weiß, wo ich bin, kommt er vielleicht zurück.«
»Das würde ich ihm nicht raten«, lachte Price. Er schob die Pistole in den Hosenbund. »Hier bist du sicherer als sonst irgendwo auf der Welt. Hier bist du bei einem Freund.«
Er ging zur Tür, um sie zu schließen.
***
Parkplätze sind Glückssache, fast wie ein Spiel in der Lotterie. Diesmal hatten wir Glück. Als wir uns dem Haus näherten, in dem Homer Price wohnen sollte, wurde gerade ein Platz frei. Ein Wagen löste sich aus der Reihe der stehenden Fahrzeuge am Straßenrand und fuhr ohne Eile weg.
Ich setzte mich an seine Stelle. Als wir ausstiegen, hörte ich, wie über uns in dem Haus Fenster geöffnet wurden. Licht fiel auf die Straße und den Gehsteig. Verwundert über die Aufregung stieß ich die Haustür auf.
In den Türen der Wohnungen standen Menschen und starrten Phil und mich mit einer Mischung aus Angst und Neugier an.
»Wer hat geschossen?«, hörte ich jemanden fragen.
»Es waren vier Schüsse«, war die Antwort.
»Nein, fünf oder sechs«, widersprach jemand.
»Schüsse?« Ich wandte mich an den Nächststehenden. »Wo?«
»In der Wohnung über mir«, antwortete er und zeigte nach oben. »Erster Stock links.«
Phil hatte seine Müdigkeit vergessen. Er rannte schon die Treppe hinauf, seine Pistole in der Faust. Ich folgte ihm.
Wir erreichten die Wohnung im ersten Stock gerade in dem Augenblick, als ein hochgewachsener, breitschultriger Farbiger die Tür schließen wollte. In seinem Hosenbund steckte eine Pistole.
Er machte nicht den Versuch, zur Waffe zu greifen. Er ballte nur die Fäuste und reckte die Arme hoch über den Kopf. Dabei schielte er misstrauisch auf die Waffen in unseren Fäusten.
»Wir sind vom FBI«, sagte ich.
»Cotton?«, fragte eine Stimme aus dem Hintergrund des Wohnzimmers.
Ich schob den Farbigen mit der freien linken Hand tiefer in den Raum. Jetzt erst fielen mir die Blutstropfen auf dem Boden auf.
In der Mitte des Raumes stand ein Mann, blass, mit hängenden Schultern und einem gewaltigen Blutfleck auf dem Hemd. Das musste der Mann sein, der mich angerufen hatte.
»Endlich, Cotton!«, sagte er. »Ich dachte schon …«
Was er dachte, erfuhr ich nicht mehr. Er knickte in den Knien ein, kippte zur Seite und blieb reglos auf dem Teppich liegen.
***
Jack Knife behielt auch jetzt die Nerven. Die Wunde in seiner rechten Schulter schmerzte höllisch, sein Opfer war noch am Leben, und es gab sogar einen Zeugen für den Mordversuch. Zudem hatte er sein Messer in der Wohnung zurückgelassen. Trotzdem widerstand er der Versuchung, das Gaspedal voll durchzutreten und davonzujagen. Genau das würde die Polizei erwarten. Verbrecher haben es gewöhnlich eilig, vom Tatort wegzukommen. Aber Knife tat nie, was man von ihm erwartete.
Er lenkte seinen Wagen in eine schlecht beleuchtete Nebenstraße, fuhr an den Straßenrand und hielt an. Trotz der Schmerzen lächelte er. Es würde nur wenige Minuten dauern, bis der höllische Lärm der Sirenen aus etlichen Polizeifahrzeugen die Stille der Nacht zerstören
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