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294 - Der Keller

294 - Der Keller

Titel: 294 - Der Keller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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zu finden war, und begoss damit die Decken über dem Leichnam der Amme.
    Dann erst kehrte er nach oben zurück - nicht ohne die Kladde mitzunehmen. Vielleicht konnte sie ihn, so er entlarvt wurde, vor dem Strick retten. Zumindest konnte er auf mildernde Umstände hoffen, angesichts dessen, was die böse Alte an Sünden angehäuft hatte.
    Oben angelangt, richtete er alles so her, wie es gewesen war, was auch bedeutete, dass er die Luke wieder schloss und den Teppich darüber platzierte.
    Für eine Weile betrachtete er sein Werk, dann endlich wandte er sich Jurgis zu und holte ihn aus dem Flechtkorb.
    Das kleine Gesicht war tränennass. Als Paavel mit dem Ärmel seines Hemdes darüber wischte, fing der Kleine noch heftiger an zu weinen, und Paavel merkte, dass seine eigene Kleidung penetrant nach Alkohol stank. Zuhause würde er sich als Erstes von Kopf bis Fuß reinigen und auch seine Kleidung waschen müssen.
    Mit gesenktem Kopf eilte er zurück in sein Heim. Dass er dabei gesehen wurde, war ihm klar, aber niemand konnte wissen, wessen er sich gerade schuldig gemacht hatte.
    Zum gemeinen Totschläger war er verkommen, und ganz allmählich begann er zu spüren, dass ihn das Verbrechen nicht ungeschoren davonkommen lassen würde. Sein Gewissen drückte ihn, obwohl er sich einzureden versuchte, die alte Hexe nur ihrer gerechten Strafe zugeführt zu haben.
    Wieder einmal wusste er nicht, wie es weitergehen sollte.
    Und zuhause wartete eine andere Tote auf ihn, die er erst noch unter die Erde bringen musste.
    ***
    Keiner der Nachbarn war auf Aljeschas Beerdigung. Paavel nahm ganz allein mit Jurgis Abschied von ihr. Das Grab hatte er in dem kleinen Gärtchen hinter dem Haus ausgehoben, das seine Frau so liebte. In guten Zeiten hatte Aljescha hier Blumen und Kräuter angepflanzt, dazu Gemüse. Die meisten Menschen in Alytus versorgten sich selbst. Zukaufen konnten nur die Wohlhabenden.
    In den ersten Tagen nach Aljeschas Tod blieben weitere Anfeindungen aus. Nun, da sich Paavel allein um Jurgis kümmern musste, war er gezwungen, das Kind bei allen Unternehmungen mitzunehmen, in einem Tragegeschirr, das er gebaut hatte. So auch, als er endlich die Zeit fand, zur Weide zu gehen. Von den Ziegen hatte nur eine einzige überlebt. Paavel fand sie in einem Gebüsch, in dem sie sich völlig entkräftet versteckt hatte. Die getöteten Ziegen lagen immer noch herum; ihr Fleisch war von wilden Tieren angefressen und verdorben. Paavel nahm das überlebende Tier mit und brachte es im Haus unter.
    Er hatte Jurgis' Ernährung quasi von einem Tag auf den anderen von Muttermilch auf Brei umgestellt. Dafür kochte er Wurzeln und anderes Gemüse und zerstampfte es. Die Ziege erholte sich nur langsam und lieferte keine Milch, trotzdem fütterte Paavel sie weiter mit durch, weil er hoffte, künftig einen Ertrag zu haben.
    Er begann auch wieder mit der Armbrust zu jagen, die er von seinem Vater übernommen hatte. Argwöhnisch beäugten ihn dabei die Leute aus Alytus.
    Als Paavel vier Wochen nach Aljeschas Tod in der Abenddämmerung von einem erfolgreichen Jagdausflug nach Hause kam, sah er schon von weitem fetten Qualm über den Häusern aufsteigen.
    Es war sein Haus, das brannte; natürlich. Alle aus der Nachbarschaft standen auf der Straße und schauten tatenlos zu, wie der Rauch aus den Fenstern stieg. Kein Einziger half Paavel, als er die beiden Hasen fallen ließ, die er erlegt hatte, und mit klapperndem Tragegeschirr auf sein brennendes Haus zurannte.
    Jurgis jauchzte vor Vergnügen. Er war die Unschuld in Person.
    Doch nur für seinen Vater. Für die anderen war er eine Ausgeburt des Bösen, die Unglück über alle bringen würde.
    ***
    Paavel hockte in der noch warmen Asche. Er hatte den Brand löschen können, bevor er auf den Dachstuhl übergriff, aber die Einrichtung hatte stark gelitten, vor allem in der Küche, von wo das Feuer seinen Lauf genommen hatte. Trotzdem grenzte es an ein Wunder, dass er wenigstens noch ein Dach über dem Kopf hatte.
    Noch wusste er nicht, ob er sich darüber freuen sollte. Der Lebensmut drohte ihn zu verlassen. Und dann fing auch noch Jurgis zu weinen und zu krakeelen an.
    Paavel versank in dumpfer Verzweiflung. Alle Utensilien, mit denen er die Tage davor Essen für den Kleinen zubereitet hatte, lagen völlig verrußt über die Stube verteilt. Die hier aufbewahrten Lebensmittel waren verbrannt. Und mit ihnen die Ziege, die gerade wieder begonnen hatte, etwas auf die Rippen zu bekommen.
    Er stand vor den

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