Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
298 - Beim Ursprung

298 - Beim Ursprung

Titel: 298 - Beim Ursprung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Zybell
Vom Netzwerk:
gleichgültig. Wichtig war nur dies: Das zur Zerstörung bestimmte Subjekt hatte diesen Weg genommen.
    Also rannte der ZERSTÖRER mitten hinein in die Gebäudeansammlung namens Tschernobyl.
    ***
    Beim Ursprung, April 2527
    Ann Drax ging an den Hütten vorbei, streifte durch die Gassen und erreichte den Platz in der Mitte der kleinen Siedlung, wo man sich abends bei gutem Wetter traf, seit es etwas milder geworden war. Am Rande des Dorfplatzes, rund um das neu aufgeschlagene Zelt, hatten sich Dutzende Männer und Frauen versammelt und hielten Mittagspause. Einige Kinder liefen herum und spielten seltsam antriebslos Fangen .
    Ann gesellte sich nicht dazu. Sie hatte gelernt, sich nicht mit ihnen einzulassen, denn das endete meistens in einer Rauferei mit blauen Flecken und Schürfwunden. Die meisten davon trugen die anderen Kids davon, denn mit ihren zehn Jahren wusste sich Ann inzwischen gut zu wehren. Kein Wunder, wenn man bedachte, was sie in dieser Zeit alles durchgemacht hatte.
    Stattdessen beobachtete sie nun, wie ein mächtiger Bohrer mit einem Ochsenkarren zur Halle gefahren wurde. Marsianer in Exoskeletten dirigierten den Karrenlenker, während einige Retrologen mit Ketten an den Füßen das monströse Gerät sicherten. Die Kinder stürmten auf den Transport zu und umringten ihn, wurden aber von den Erwachsenen verscheucht.
    Ann sah es kommen, noch bevor es geschah, aber sie konnte sich nicht mehr rechtzeitig verziehen: Die anderen Kinder sahen sich nach einer neuen Beschäftigung um - und entdeckten natürlich sie. Im Nu war Ann von ihnen umringt. Zwei wilde Knaben stießen sie zu Boden. »Werfen wir sie ins Meer!«, forderte einer. »Sie gehört nicht zu uns!«
    »Traut euch das nur!«, schrie Ann zurück. »Aber dann könnt ihr was erleben, wenn mein Vater zurückkommt!«
    »Pah!«, winkte der Junge ab. »Den fürchten wir nicht. Der gehört auch nicht zu uns!« Er versuchte nach Ann zu greifen.
    Die wippte im Liegen nach hinten, zog die Beine an und rammte sie ihm, als er sich weiter nach vorn bückte, vor die Brust. Der Raufbold hob regelrecht ab und landete einen Meter weiter unsanft auf dem Steißbein. Jammernd wälzte er sich am Boden.
    Da stand Ann längst auf den Beinen und nahm eine drohende Haltung an. Sie war selbst erstaunt, dass die Meute respektvoll zurückwich. »Ich sag's euch allen!«, zischte sie, mutiger geworden. »Lasst mich in Ruhe, oder mein Dad wird euch die Ärsche versohlen, ihr…«
    Sie hatte das Wort noch nicht ausgesprochen, als jemand sie von hinten packte, herumwirbelte und sich unter den behaarten Arm klemmte. Schlagartig wurde ihr klar, wovor die anderen tatsächlich Respekt gezeigt hatten: vor Pieroo nämlich, der sie jetzt anfuhr: »Machste wieder Ärger, Ann? Wird Zeit, dass Jenny zurückkomm' tut. Auf mich hörste ja nich, verzogenes Balg!«
    Damit dreht er sich um und stapfte in Richtung ihrer Hütte. Dabei hielt er Ann - wohl eher zufällig - so unter seinem Arm, dass sie einen letzten langen Blick auf die anderen Kinder hatte. Am liebsten hätte sie vor Wut und Scham laut gebrüllt, als sie in die grinsenden, Grimassen schneidenden Gesichter blickte.
    Ich hau ab! , dachte sie voller Inbrunst. Ich muss Dad finden, sonst drehe ich noch genauso durch wie die anderen Verrückten hier!
    ***
    Tschernobyl
    Wilde Wakudas: ein Stier, sechs Kühe, zwei Kälber. Eine kleine Herde nur, aber genug Blut auf Tage hinaus. Jetzt, da die Prypten die Stadt verlassen hatten, blieb den Nosfera keine andere Wahl. Sie mussten Tierblut trinken, um zu überleben. Aber das war auf Dauer genauso wenig eine Lösung wie der weitere Verbleib hier an diesem verfluchten Ort. Die Prypten waren bereits fort, und die Nosfera würden ihnen folgen müssen, um nicht zugrunde zu gehen.
    Nicht allein am Blutmangel, sondern vor allem an dem unsichtbaren, unschmeckbaren Tod, der hier alles kontaminierte. Das Blut der Prypten war ein Elixier gewesen, das sie geschützt und gestärkt hatte. [1]
    Zu beiden Seiten der Trasse pirschten sich die Nosfera an die Herde heran. Die langpelzigen Tiere trotteten weidend über die Haupttrasse zwischen den Ruinen. Das Gras stand dort kniehoch.
    Onda hielt sich an der Seite ihres Anführers Tiisiv. Das Wasser lief ihr im welken Mund zusammen, wenn sie an das warme Wakudablut dachte.
    Ein junger Nosfera schlich heran und warf sich neben Tiisiv auf den Bauch. »Da kommt etwas die Schneise entlang.« Onda betrachtete ihn - sein graues, zerknautschtes Gesicht wirkte seltsam

Weitere Kostenlose Bücher