299 - Das letzte Duell
Aufmerksamkeit dann wieder auf sie richten, könnte ihr womöglich wieder bleierne Müdigkeit schicken. Nein - dann lieber nicht schreien.
Jetzt trat Jenny-Mom endgültig aus dem Zelt. Die jubelnde Menge bildete eine Gasse, durch die sie das Steinwesen zur Mitte des Dorfplatzes trug. Lady Victoria schloss sich ihr an, dann Sir Leonard, dann die Marsleute, dann die Frauen von den Dreizehn Inseln und schließlich Pieroo und alle anderen. Eine Menschenschlange umkreiste die weiße, wuchtige Steinsäule in der Mitte des Dorfplatzes, Jenny-Mom an der Spitze.
Wenn Ann alles richtig verstanden hatte, feierten sie den bevorstehenden Augenblick, in dem sie das Steinding - sie nannten es Mutter - ins Bohrloch werfen würden. Ann hat nicht die geringste Ahnung, was es dabei groß zu feiern gab.
Für sie gab es nur eine einzige Mutter auf dem Dorfplatz: Jenny. Und die behandelte ihre Tochter wie Luft; nein, schlimmer noch: wie eine Fremde! Als wäre ihr Herz genauso aus Stein wie das blöde Ding, das sie vor sich hertrug.
Alle hier waren verrückt geworden, ohne Ausnahme…
Ohne Ausnahme?
Nein, nicht ganz.
Ann hob den Blick und sah zu dem Glatzkopf hinauf, zu General Crow. Ihn schien das Steinwesen nicht krank im Kopf zu machen. Er war einfach nur böse . Und im Moment auch noch verstört, und furchtbar mies gelaunt, das sah Ann seiner Miene an. Aber sonst schien er klar im Kopf zu sein. Wie suchend spähte er nach allen Seiten. Wartete er auf etwas? Und wenn ja, auf was?
So durcheinander schien er zu sein, dass er sogar vergaß, seine Befehle in ihren Kopf strömen zu lassen. Ob sie den fleischigen Strang einfach packen und aus ihrem Nacken reißen konnte? Ann wagte es nicht.
Warum spähte der Kerl immerzu suchend um sich? Plötzlich kam ihr ein schlimmer Gedanke: Er wartete auf ihren Dad!
Ann zweifelt nicht daran, dass Matt kommen würde, um sie zu befreien. Und dann - das schwor sie sich - würde sie ihm im Kampf gegen das kahlköpfige Scheusal helfen! Sie würde Crow in die Hand beißen oder in den Tentakel oder sonst wohin.
Schließlich hatte sie gelernt zu kämpfen auf ihrer langen Wanderung von Corkaich hierher. Pieroo und Fletcher hatten ihr so manchen Trick beigebracht, mit dem man sich gegen gemeine Kerle zur Wehr setzen konnte.
In der Mitte des Dorfplatzes machte Jenny-Mom nun Halt vor der weißen Steinsäule und legte das Wesen in die Kuhle auf deren Spitze. Zu zwei Dritteln ragte es nun aus der Kuhle und sah aus wie der zu klein geratene Kopf der weißen Säule.
»Brüder und Schwestern!«, rief Sir Leonard. Irgendwie klang seine Stimme anders. Nicht so salbungsvoll wie sonst. Ann horchte auf - und spürte, wie auch Crow neben ihr sich straffte. »Wir hatten geplant, Mutter um Mitternacht feierlich ihrem Ursprung zu übergeben!«, fuhr der alte Techno fort. »Doch das Eindringen des Fremden heute Nacht bereitet uns Sorge«, - er wechselte einen kurzen Blick mit Jenny-Mom und Victoria -, »sodass wir uns entscheiden haben, kein Risiko einzugehen und den Höhepunkt des Festes vorzuverlegen. Schon zur Mittagsstunde werden wir die Vereinigung vollziehen!«
Für einen Augenblick blieb es atemlos ruhig, dann begannen die Steinjünger noch lauter zu jubeln. Die Aussicht schien sie zu begeistern.
Ann hörte nur mit halbem Ohr hin. Ihre Gedanken kreisten um etwas, das Sir Leonard erwähnt hatte: das Eindringen eines Fremden. Wen meinte er? Wann sollte das geschehen sein? Sie hatte nichts davon mitbekommen.
Dad? , schoss es ihr durch den Kopf. Ist Dad hier gewesen? Na klar, wer sonst?
Erst war es nur eine vage Hoffnung, doch dann hörte sie Crow leise fluchen und ihr Herz tat einen Sprung.
»Verdammt!«, zischte der Kahlkopf. »Dieser Mistkerl macht mir schon wieder Probleme. Es wird höchste Zeit, dass er das Zeitliche segnet!«
***
»Die hampeln herum wie unter Drogen«, sagte Matt.
»So hab ich nie herumgehampelt.« Xij verzog das Gesicht, als ihr bewusst wurde, dass sie gerade zugegeben hatte, schon Drogen konsumiert zu haben. »In einem früheren Leben«, fügte sie hinzu.
»Sieht aber auch irgendwie lustig aus«, fand der Retrologe mit dem langen, zu tausend Zöpfchen geflochtenen Vollbart und dem fransigen, bis zum Hintern reichenden Haarschopf. »Und eigentlich recht harmlos.«
Sie standen etwas mehr als zwei Kilometer entfernt auf einem Hügelhang und wechselten sich am Feldstecher ab. Inzwischen waren sie sich ziemlich sicher, dass Matt Drax auf seiner Flucht aus dem Hüttendorf nicht verfolgt
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