3 Die Rinucci Brüder: Unter der goldenen Sonne Roms
er.“
„Aber das willst du nicht“, stellte sie fest.
„Findest du das seltsam?“
„Ich kann nicht ganz nachvollziehen, warum du nicht so heißen willst wie der Rest der Familie. Dadurch bist du doch so etwas wie ein Außenseiter.“
„Das stört mich nicht. Ich fühle mich frei, zu kommen und zu gehen, wann es mir passt. Ist der Familienname so wichtig?“
„Vielleicht wäre es für die Menschen, die dich gern haben und dich als enges Familienmitglied betrachten, wichtig. Sie fühlen sich wahrscheinlich vor den Kopf gestoßen.“
„Sie verstehen mich.“
„Natürlich verstehen sie dich, denn sie lieben dich ja. Das schließt jedoch nicht aus, dass sie verlet zt sind.“
Luke runzelte die Stirn. Doch ehe er etwas sagen konnte, fügte Minnie hinzu: „Am besten vergisst du es, es geht mich nichts an. Ich bin froh, zu einer großen Familie zu gehören, und vergesse immer wieder, dass andere Menschen sich davon vielleicht erdrückt fühlen.“
„Ich fühle mich nicht erdrückt“, wandte er ein. „Aber du hast recht, ich bin der Einzige, der mit keinem Familienmitglied blutsverwandt ist. Darüber habe ich noch nie nachgedacht, obwohl ich es wahrscheinlich immer irgendwo im Hinterkopf gehabt habe.“
„Letztlich bedeutet es gar nichts“, erklärte sie mit ernster Miene. „Ich bin auch nicht blutsverwandt mit den Pepinos, dennoch gehöre ich zu ihnen, weil sie es genauso wollen, wie ich es will.“ Damit beendeten sie das Thema. Aber Luke lag an diesem Abend noch lange wach und grübelte über Minnies Worte. Sie hatte eine wunderbare Art, sich dem Leben in all seiner Vielfalt zu öffnen. Sie suchte und fand die Wärme, die sie brauchte. Dass ihm diese Wärme fehlte, war ihm noch nie so bewusst gewesen wie jetzt.
An einem der nächsten Tage kamen die Mitarbeiter der Installationsfirma und prüften alle Boiler im Haus. Einige erwiesen sich als gefährlich und mussten sogleich ausgetauscht werden, doch die meisten waren noch in Ordnung.
„Ich möchte, dass in jeder Wohnung neue Boiler installiert werden, auch wenn es nicht unbedingt sein muss“, sagte Luke am Abend zu Minnie. „Und verzieh die Lippen nicht so ironisch.“
„Du spielst ja schon wieder den Helden“, entgegnete sie. „Diese große Geste …“
„Leg doch nicht alles, was ich mache, falsch aus“, unterbrach er sie. „Ich spiele nicht den Helden. Es geht mir um Netta. Ihr Boiler ist noch in Ordnung, aber wie wird sie deiner Meinung nach reagieren, wenn Signora Fellini, ihre Nachbarin, einen neuen erhält?“
„Du bist ein Feigling“, entgegnete Minnie freundlich.
„Das stimmt. Ich fürchte mich vor Netta, wenn auch nicht so sehr wie vor dir.“
„Klar, du fürchtest dich vor mir! Glaubst du, du könntest mir etwas vormachen?“ Sie setzte sich neben ihn auf das Sofa.
Sekundenlang betrachtete er sie, und wieder einmal fiel ihm auf, wie schön sie war. Plötzlich waren alle guten Vorsätze vergessen. Er streckte die linke Hand aus, umfasste ihren Kopf und zog sie näher zu sich heran.
„Wenn ich mich nicht vor dir fürchtete, würde ich dich jetzt küssen.“
„Aber angeblich fürchtest du dich ja.“ Ihre Stimme klang unsicher.
Wie soll ich das verstehen, fragte er sich. War es eine Aufforderung oder eine Zurückweisung? Er beschloss, es als Aufforderung zu verstehen, und legte den rechten Arm um sie, obwohl er noch etwas schmerzte.
Sein Lächeln und seinen liebevollen Blick fand Minnie viel zu beunruhigend und unwiderstehlich. „Ich werde immer mutiger, obwohl ich den Kinnhaken nicht vergessen kann, den du mir versetzt hast“, scherzte er.
„Keine Angst, einen kranken Mann greife ich nicht an. Das wäre … unfair“, flüsterte sie.
„Stimmt. Ich würde dich verklagen.“ Er senkte den Kopf.
In den vier Jahren als Witwe hatte sie einige flüchtige Bekanntschaften gehabt, die jedoch rasch wieder beendet waren. Nach dem ersten Kuss war alles vorbei gewesen, denn keiner dieser Männer hatte ihr etwas bedeutet.
Lukes liebevolle, zärtliche Küsse hingegen gingen ihr unter die Haut, und es überlief sie heiß. Sie befürchtete, die Kontrolle über sich zu verlieren. Es war eine rein körperliche Reaktion, dennoch war es aufregend, und sie vergaß jede Vorsicht.
Obwohl sie kaum glauben konnte, was sie da tat, erwiderte sie seine Küsse. Mit beiden Händen umfasste sie seinen Kopf, um seine Lippen noch fester auf ihre zu pressen. Es gab kein Zurück mehr, und sie wollte sich auch gar nicht zurückziehen.
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