3 Die Rinucci Brüder: Unter der goldenen Sonne Roms
dirigierte sie ins Wohnzimmer, wo Luke sich erhob, um sie zu begrüßen. Sein Lächeln konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass er sehr erschöpft war.
„Sie sollten im Bett liegen.“ Minnie setzte sich und ließ sich von ihm einen Kaffee einschenken. „Ich bin nur ein bisschen müde. Netta kümmert sich rührend um mich, und alle geben mir das Gefühl, zur Familie zu gehören“, antwortete er.
„Genau das habe ich befürchtet“, wandte sie ruhig ein. „Es sind wunderbare Menschen, aber …“ „Anstrengend, ich weiß. Keine Angst, für morgen hat Netta mir Bettruhe verordnet, bis der Arzt kommt, um die Verbände zu wechseln. Danach stehe ich auf und schaue mir mein Apartment an.“ „Überanstrengen Sie sich nicht. Konzentrieren Sie sich lieber darauf, rasch gesund zu werden. Wo schlafen Sie?“
„In Charlies Zimmer. Er ist vorübergehend in den winzigen Raum gezogen, der nicht viel größer ist als ein Schuhkarton.“
„Es wäre besser, wenn man Ihnen dieses Zimmer gegeben hätte.“
„Oh, vielen Dank.“
„Missverstehen Sie mich bitte nicht. Es liegt am Ende des Flurs und ist relativ ruhig. Charlies Zimmer befindet sich mitten in der Wohnung, sozusagen im Zentrum des Lärms, und man hört alles.“ „Ach so. Es ist jedenfalls nett gemeint. Aber ich nehme die Gastfreundschaft der Pepinos sowieso nicht lange in Anspruch.“
Ehe Minnie sich verabschiedete, sprach sie kurz mit Netta in der Küche. „Er ist offenbar sehr erschöpft.“
Netta seufzte. „Das habe ich auch gemerkt. Vielleicht war es doch keine gute Idee. Es ist bei uns sehr laut und unruhig, das lässt sich leider nicht vermeiden.“ Plötzlich hellte sich ihre Miene auf. „Er könnte doch dein Gästezimmer benutzen. Dort ist er ungestört und kann sich besser erholen.“
Minnie stöhnte auf. „Das hattest du die ganze Zeit vor, nicht wahr, Netta? Du bist unmöglich.“ „Du hast ja recht“, stimmte Netta ihr gespielt reumütig zu. „Aber du bietest ihm das Zimmer an, oder?“
„Nein. Ich lasse mich nicht vor deinen Karren spannen. Hast du mich verstanden? Gute Nacht!“ Sie griff nach ihrer Tasche, eilte hinaus und überließ es Netta, Luke ihren überstürzten Rückzug zu erklären.
Minnie hatte sich vorgenommen, Luke in den nächsten Tagen aus dem Weg zu gehen. Das fiel ihr jedoch erstaunlich schwer.
Einerseits hätte sie ihm gern das Gästezimmer angeboten und sich um ihn gekümmert, aber andererseits schreckte sie davor zurück. Und das hatte etwas damit zu tun, dass er kurze Zeit nackt, verletzt und hilflos in ihren Armen gelegen hatte.
Von der Kraft und Stärke, die Luke normalerweise ausstrahlte, war in dem Moment nichts mehr zu spüren gewesen. Der Wunsch, ihn zu beschützen, war übermächtig geworden, und genau das beunruhigte Minnie zutiefst. Sie hatte Angst vor ihren eigenen Gefühlen.
Sie hatte ihm das Haar aus der Stirn gestrichen, seine Wangen gestreichelt, ihn mit dem Kopf an ihr Herz gedrückt und bitterlich geweint. Dass es ihm nicht gut ging, ließ ihr keine Ruhe. Außerdem hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie glaubte, er brauche sie und sie hätte ihn im Stich gelassen. Deshalb besuchte sie ihn am nächsten Abend.
In der Wohnung ihrer Schwiegereltern herrschte Katastrophenstimmung, und Netta weinte. „Ich habe es nur gut gemeint und wollte helfen“, brachte sie schluchzend hervor. „Aber ich weiß nicht mehr, was ich machen soll.“
„Was ist passiert?“, fragte Minnie.
„Meine Schwester Euphrania und ihr Mann Alberto haben ihren Besuch angekündigt. Morgen treffen sie ein und wollen bei uns übernachten. Wir haben jedoch kein Zimmer für sie. Was soll ich nur tun?“ Sie ist wirklich eine gute Schauspielerin, dachte Minnie. Sie nahm Netta zur Seite und sagte: „Das hast du dir raffiniert ausgedacht, aber ich falle nicht darauf herein. Luke wird nicht in meinem Gästezimmer schlafen.“
Netta blickte sie Mitleid heischend an. „Was soll denn aus dem armen Mann werden?“
„Was für eine seltsame Frage! Er kann doch jederzeit ins Hotel gehen. Du hast bestimmt schon den nächsten Plan parat.“
„Wie bitte?“
„Gestern hast du auch schon versucht, mich zu überreden, ihm mein Gästezimmer anzubieten. Heute hast du dir eine andere Begründung einfallen lassen, und beide Male hat es nicht geklappt.“ „Der Tag ist noch nicht zu Ende, Liebes“, antwortete Netta hoffnungsvoll.
„Merk dir eins: Ich möchte Luke nicht in meiner Wohnung haben. Er wird nicht bei mir wohnen,
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