3. Reich Lebensborn E.V.rtf
ölgemalten Augen des Führers einen heroischen Blick auf die gewaltige KaffeeTafel. In dieser Umgebung wirkt Hitler, als ob er Hunger hätte
...
Der Heimleiter hat die erste Begegnung seiner LebensbornKandidaten organisiert. Um die Peinlichkeit zu vermeiden, arrangierte er diese Kaffeestunde für etwa 50 Teilnehmer in Blond. Kuchenschlacht heißt der Brauch, den der Nationalsozialismus zu seiner Gesellschaftsform erhob. Vom 36
Pimpfen bis zum Amtswalter, von der NSV bis zur Arbeitsfront ist sie das gängige Mittel, um Kameradschaft und NS-Kultur, Lebensfreude und Freßsucht, Sportgeist und Gemütlichkeit zu pflegen. In diesem Falle soll aus Bergen von Streuselkuchen sogar die staatlich geförderte Liebe sprießen. Bunte Reihe am hufeisenförmigen Tisch. Die Mädchen zum Teil in Zivil. Die Männer ausnahmslos in Uniform. Das Gros stellt die SS. Und der Lebensborn hat tatsächlich auch hier eine strenge Auswahl getroffen ... so fehlen eigentlich die Schlägertypen der Totenkopfverbände. An ihre Stelle kommandierte man die Soldaten von der Front als Teilnehmer dieser seltsamen Tagung. Fast sieht es so aus, als ob das EK I das niedrigste Eintrittsgeld sei.
Die Dienstgrade reichen vom Uscha bis zum
Hauptsturmführer. Die Schulterstücke rangieren hinter der Schädelform. In einer Ecke sitzen zwei Heeresoffiziere. Drei Stühle sind noch frei, reserviert für geladene Gäste der Luftwaffe. Die schnellste Waffengattung der Wehrmacht hat sich, wie üblich, verspätet.
Doris sitzt in der Mitte. Zuerst wagt sie es kaum, sich umzusehen. Ihre Hände sind feucht und zittern. Der Kaffee schmeckt bitter, der Kuchen nach Sacharin. Ihre weiße RADAusgehbluse trägt sie wie ein Opferhemd.
»Wir beginnen mit dem offiziellen Teil erst, wenn wir vollzählig sind«, sagt Westroff-Meyer. Er sitzt vierschrötig in einem Armstuhl, schon optisch ein allmächtiger Kuchenpräsident.
Der Mann, der rechts von Doris sitzt, trägt die Uniform eines Hauptsturmführers. Sein Selbstbewußtsein ist ein Meter 88 groß. Auf der linken Seite seines Waffenrockes hat er fast alles, was der Krieg an Auszeichnungen bietet. Er heißt Horst Kempe und wirkt im Gespräch fast verlegen. Er fühlt sich zunächst nicht ganz wohl am Platz.
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Vor drei Tagen führte er noch eine Kompanie Sturmpioniere gegen die Russen. Man holte ihn weg. Er trug es mit dem Fatalismus des Frontoffiziers, dem alles recht ist, außer Zigarettenmangel. Er wäre lieber bei seinen Männern geblieben. Als er erfuhr, warum man ihn abberufen hatte, fluchte er zuerst, und dann grinste er. Er ist ein Typ, der immer vorne steht, an der Front sowohl wie im Wirtshaus, der beim Skat am höchsten reizt und am Schießplatz am kürzesten zielt. Er beugt sich nach links, betrachtet die Tischkarte, die vor Doris liegt.
»Doris«, sagt er, »hübscher Name.«
Sie zuckt die Schultern.
»Biste schüchtern?« berlinert Kempe.
»Mitunter.«
»Komischer Laden hier, was?« versetzt der
Hauptsturmführer grinsend.
Doris nickt. Er betrachtet sie von der Seite. Sie gefällt ihm. Sie gefällt allen. Kempe kämpft gegen seine Empfindungen wie gegen Partisanen. Er möchte etwas Nettes sagen, sucht nach Worten, runzelt die Stirn, zerquetscht den Fluch zwischen den Zähnen, denkt an seine Einheit und stäubt sich Puderzucker von der Uniformjacke.
Er berührt ihre Hand wie aus Versehen.
Doris zuckt zusammen wie unter einem Stromstoß.
»Entschuldigen Sie«, sagt der Hauptsturmführer unbeholfen. Er wendet sich nach rechts, an Lotte. Sie trägt ihr Feiertagsgesicht. In den letzten zwei Tagen, seit sie weiß, für welchen Zweck sie ausgewählt ist, ging mit der RADJungführerin eine Verwandlung vor. Ihr durchschnittliches Mausgesicht wirkt auf einmal fast hübsch. Die dicken Zöpfe ihrer Gretchenfrisur hat sie in einem Kranz um den Kopf gewunden. Sie trägt ihn wie eine Krone.
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»Sie kommen von der Front?« sagt sie zu Kempe.
»Ja«, erwidert der Hauptsturmführer zerstreut. Sie deutet auf sein EK I.
»Für was haben Sie das bekommen?« fragt sie.
»Weeß nich ...«, brummt er, »ick war der einzige Offizier des Bataillons, der es noch nich hatte.«
Lotte betrachtet ihn betroffen.
»Aber das muß man sich doch verdienen.«
»Sicher«, antwortet Kempe. Er grinst gutmütig. »Wissen Se«, setzt er hinzu, »da vorn is es janz einfach ... entweder man krepiert, dann braucht man keenen Orden. Oder man wird verwundet, dann bekommste ihn beim nächstenmal. Oder man lebt noch, dann kriegt man ihn
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