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3 - Wächter des Zwielichts

3 - Wächter des Zwielichts

Titel: 3 - Wächter des Zwielichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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gibt - und das die beiden nichts miteinander verbindet. Bin ich bereit, das anzuerkennen? Ja, vermutlich.
    Aber aus irgendeinem Grund will ich nicht in die Inquisition wechseln.
    Lieber reiß ich in der Nachtwache meine Stunden ab. Gehe meiner absolut überflüssigen Arbeit nach, die darin besteht, absolut überflüssige Menschen zu schützen.
    Und warum überprüfte ich dann nicht jetzt unsern einzigen Verdächtigen? Noch hatte ich Zeit. Lass war bereits wach. Er saß in seinem Abteil, schaute finster auf die erbärmliche Landschaft draußen. Der Tisch war hochgeklappt, im Waschbecken kühlte er unter dem dünnen Wasserstrahl eine Flasche Kumys.
    »Hier fehlt ein Kühlschrank«, sagte er traurig. »Selbst im besten Waggon ist kein Kühlschrank im Abteil vorgesehen. Willst du Kumys?« »Ich habe bereits gefrühstückt.« »Wann?« »Na gut, ein klitzekleines Schlückchen...«, stimmte ich zu.
    Den Kognak goss Lass in der Tat tröpfchenweise ein, gerade so viel, um die Lippen zu befeuchten. Wir tranken ex. »Was hat mich nur gestern gepikt?«, meinte Lass nachdenklich. »Sag mir mal ganz ehrlich, warum ein normaler Mensch plötzlich auf die Idee kommt, in Kasachstan Urlaub zu machen? Spanien, gut. Türkei, ja. Peking, ja - zum Kussfestival, falls du auf Extremtourismus stehst. Aber Kasachstan?« Ich zuckte mit den Schultern.
    »Das muss eine merkwürdige Fluktuation meines Bewusstseins gewesen sein«, sagte Lass. »Ich habe einfach gedacht...« »Und jetzt willst du aussteigen«, fuhr ich fort.
    »Richtig. Und dann steige ich in den nächsten Zug wieder ein. In die entgegengesetzte Richtung.«
    »Eine kluge Entscheidung«, sagte ich ehrlich. Erstens waren wir damit einen Verdächtigen los. Zweitens würde ein anständiger Mensch gerettet.
    »In ein paar Stunden sind wir in Saratow«, überlegte Lass laut. »Da steige ich aus. Ich rufe jetzt meinen Geschäftspartner an und bitte ihn, mich abzuholen. Saratow ist eine schöne Stadt.« »Und was ist daran schön?«, wollte ich wissen.
    »Nun ...« Abermals füllte Lass unsere Becher, diesmal etwas großzügiger. »Im Gebiet von Saratow leben seit Jahrhunderten Menschen. Das unterscheidet es auch aufs Vorteilhafteste von den Gebieten im Hohen Norden und ähnlichen Gegenden. Zur Zarenzeit gab es dort ein Gouvernement, das jedoch in der Entwicklung etwas hinterherhinkte. Nicht umsonst hat Tschazki gesagt: >Auf in die Wildnis, auf nach Saratow!< Heute ist es das Industrie- und Kulturzentrum der Region, ein großer Eisenbahnknotenpunkt.«
    »Nun übertreib mal nicht«, merkte ich vorsichtig an. Mir war nicht klar, ob er das ernst meinte oder einfach Unsinn faselte, bei dem er Saratow leicht durch Kostroma, Rostow am Don oder jede x-beliebige andre Stadt hätte austauschen können.
    »Das Wichtigste dort ist der Eisenbahnknotenpunkt«, erklärte Lass. »Ich werde in einem McDonald's essen - und dann ab nach Hause. Außerdem gibt es dort noch eine alte Kathedrale, die werde ich bestimmt besichtigen. Damit habe ich die Reise nicht umsonst gemacht, oder?«
    Ach ja, hatte unser unbekannter Gegner am Ende doch nicht richtig aufgepasst. Die Intervention war zu schwach und verflog innerhalb von vierundzwanzig Stunden.
    »Und weshalb wolltest du nun unbedingt nach Kasachstan?«, fragte ich noch einmal. »Ich habe es dir doch schon gesagt: einfach so«, seufzte Lass. »Wirklich einfach so?«
    »Na ja ... ich habe so rumgesessen, nichts Böses ahnend, die Saiten meiner Gitarre gewechselt. Plötzlich klingelt das Telefon. Jemand hatte sich verwählt, wollte irgendeinen Kasachen sprechen ... den Namen habe ich schon wieder vergessen. Kaum hatte ich den Hörer aufgelegt, fing ich an darüber nachzudenken, wie viele Kasachen in Moskau leben. Auf meiner Gitarre waren gerade genau zwei Saiten aufgezogen, wie bei einer Dombra, so einer Art kasachischer Balalaika. Ich spannte sie und fing an zu klimpern. Das war komisch. Denn es kam irgendeine Melodie heraus ... die sich in mir festsetzte und mich betörte. Da habe ich gedacht: Jetzt fahre ich nach Kasachstan!« »Eine Melodie?«, hakte ich nach. »Hmm. Eine betörende, lockende. Die Steppe, Kumys, all das...«
    Ob es doch Viteszlav gewesen war? Ein normaler Mensch bemerkt die Magie in der Regel nicht. Aber die Magie der Vampire steht zwischen richtiger Magie und sehr starker Hypnose. Sie ist auf Blickkontakt angewiesen, auf Geräusche, eine Berührung - auf einen wenn auch minimalen Kontakt zwischen Vampir und Mensch. Und sie hinterlässt

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