3 - Wächter des Zwielichts
macht ihr?« »Wir sind im Zug. Hier ist was Merkwürdiges passiert...«
Ich versuchte, mich ihr maximal zu öffnen... na ja, fast maximal. Ich rollte mein Gedächtnis aus wie eine Stoffbahn auf dem Tisch einer Schneiderin. Der Zug, die Inquisitoren, das Gespräch mit Lass, das Gespräch mit Edgar und Kostja...
»Komisch«, sagte Swetlana nach einer kurzen Pause. »Sehr komisch. Ich habe den Eindruck, als ob jemand mit euch spielt. Das gefällt mir nicht, Anton.« »Mir auch nicht. Wie geht es Nadja?« »Sie schläft schon lange.«
In einem Gespräch wie diesem, das nur Andere verstehen können, fehlt jede Intonation. Allerdings wird sie durch irgendwas ersetzt. Und ich spürte eine leichte Unsicherheit Swetlanas. »Du bist nicht zu Hause, oder?« »Stimmt. Ich bin zu Besuch bei einer alten Frau.« »Swetlana!«
»Ich bin wirklich zu Besuch, also mach dir keine Sorgen! Ich wollte mit ihr die ganze Situation durchgehen ... und etwas über das Buch erfahren.«
Ich hätte doch gleich wissen müssen, dass nicht nur die Sorge um unsere Tochter Swetlana gezwungen hat, uns zu verlassen. »Und was hast du rausbekommen?«
»Es war das Fuaran. Ebendas. Das echte. Und... was Gesers Sohn anging, da hatten wir Recht. Unsere Alte war mit sich und der Welt zufrieden... und hat nützliche Kontakte wiederhergestellt.« »Und dann hat sie das Buch geopfert?«
»Ja. Sie hat es in der hundertprozentigen Überzeugung zurück- »Und was hält sie von dem, was passiert ist?« Angestrengt versuchte ich, Namen zu vermeiden - als ob so ein Gespräch abgehört werden könnte.
»Ich glaube, sie ist in Panik geraten. Obwohl sie versucht, sich nichts anmerken zu lassen.«
»Swetlana, wie schnell kann das Fuaran einen Menschen in einen Anderen verwandeln?«
»Fast sofort. Man braucht etwa zehn Minuten, um alle Zaubersprüche aufzusagen, dann sind noch ein paar Zutaten nötig ... oder genauer gesagt eine - das Blut von zwölf Menschen. Selbst wenn von jedem nur ein Tropfen gebraucht wird, aber es müssen zwölf verschiedene Menschen sein.« »Weshalb?«
»Das musst du Fuaran fragen. Ich bin überzeugt, dass statt Blut auch jede andere Flüssigkeit ginge, aber die Hexe hat den Zauberspruch an Blut gebunden ... Also zehn Minuten Vorbereitung, zwölf Tropfen Blut, und du kannst aus einem Menschen einen Anderen machen. Oder aus einer ganzen Gruppe von Menschen. Hauptsache, sie sind alle in deinem Blickfeld.« »Und wie stark werden sie sein?«
»Das variiert. Aber schwache Andere können mit dem nächsten Zauberspruch auf eine höhere Stufe gezogen werden. Theoretisch kannst du aus jedem Menschen einen Hohen Magier machen.«
Etwas hatte sie gesagt. Etwas Wichtiges. Nur kriegte ich diesen Faden im Moment noch nicht zu fassen... »Und was fürchtet... die Alte, Sweta?« »Eine Massenverwandlung der Menschen in Andere.« »Will sie nicht herkommen und ein Geständnis ablegen?« »Nein, sie will die Beine in die Hand nehmen. Und ich verstehe sie.«
Ich seufzte. Arina sollte eigentlich schon zur Verantwortung gezogen werden ... wenn die Inquisition sie dann nicht wegen Sabotage anklagen würde. Und wieder einmal hatte Geser seine Finger im Spiel...
»Sweta, frage sie doch ...frage sie, weshalb der Dieb nach Osten fahren könnte? Hat das Fuaran vielleicht mehr Kraft an dem Ort, wo es geschrieben worden ist?«
Pause. Zu dumm, dass das kein Handy war, dass ich mit der Hexe nicht persönlich sprechen konnte. Denn ein direktes Gespräch ist nur zwischen Anderen möglich, die sich nahe stehen. Oder zumindest Gleichgesinnte sind.
»Nein ... Sie wundert sich sehr darüber. Sie sagt, dass es keine Verbindung zwischen dem Fuaran und dieser Gegend gebe. Das Buch würde auch im Himalaja funktionieren oder an der Antarktis oder der Elfenbeinküste.«
»Dann ... dann frag sie, ob Viteszlav es benutzen könnte. Immerhin ist er ein Vampir, ein niederer Anderer...« Abermals Pause.
»Er könnte. Ob Vampir oder Tiermensch, das spielt keine Rolle. Auch nicht, ob Dunkler oder Lichter. Es gibt keine Einschränkungen. Bis auf die, dass Menschen das Buch nicht benutzen können.« »Das ist klar... Sonst noch was?«
»Nein, Anton. Ich hatte gehofft, sie könne uns einen Hinweis geben... Aber ich habe mich geirrt.« »Gut. Vielen Dank. Ich liebe dich.«
»Ich dich auch. Schlaf gut. Ich bin überzeugt, dass morgen früh alles besser aussieht...«
Das dünne Fädchen, das zwischen uns gespannt gewesen war, riss. Ich zuckte zusammen, dann machte ich es mir
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