Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
3 - Wächter des Zwielichts

3 - Wächter des Zwielichts

Titel: 3 - Wächter des Zwielichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
kommen noch Hunderte von Reservisten. Jede Seite kann mindestens tausend Andere aufstellen.«
    »Die in der Regel schwach sind, sechster, siebter Grad. Die echten Magier, vom dritten Grad an aufwärts, zählen nicht mehr als ein paar Hundert.« Edgar sprach so überzeugt, dass kein Zweifel aufkommen konnte: Er hatte die Variante eines direkten Kräftemessens tatsächlich schon in Gedanken durchgespielt. »Das könnte reichen, wenn die Dunklen und die Lichten durch Inquisitoren unterstützt werden, die Amulette einsetzen und beide Kräfte vereinen. Aber es muss nicht reichen. Dann würden die stärksten Kämpfer sterben, und der Täter hätte freie Hand. Meinst du nicht, dass er genau darauf hofft?« Ich schüttelte den Kopf.
    »Darüber habe ich nämlich schon nachgedacht«, meinte Edgar mit düsterer Genugtuung. »Der Täter kann den Zug als Falle benutzen, in die alle starken Magier Russlands tappen. Er könnte den ganzen Zug mit Zaubern beladen haben, die wir nicht spüren.«
    »Warum machen wir uns dann überhaupt noch die Mühe?«, fragte ich. »Warum sind wir dann hier? Eine Atombombe - und alle unsere Probleme wären gelöst.«
    »Ja«, meinte Edgar nickend. »Wir brauchten eine Atombombe, denn sie geht durch alle Schichten des Zwielichts hindurch. Aber zunächst müssen wir sicherstellen, dass uns das Zielobjekt nicht im letzten Moment entwischt.« »Schlägst du dich jetzt auf Sebulons Seite?«, wollte ich wissen.
    Edgar seufzte. »Ich schlage mich auf die Seite des gesunden Verstandes. Bei einer vollständigen Überprüfung des Zuges unter Hinzuziehung etlicher Kräfte droht uns ein magisches Gemetzel. Die Menschen sterben jedoch so oder so. Sprengen wir den Zug - ja, dann würden mir die Menschen leid tun. Aber immerhin würden wir auf diese Weise weltweite Konflikte vermeiden.« »Aber wenn es noch eine Chance gibt...«, setzte ich an.
    »Die gibt es«, pflichtete Edgar mir bei. »Deshalb schlage ich vor, unsere Suche fortzusetzen. Kostja und ich schnappen uns meine Jungs als Hilfe und durchkämmen den Zug - gleichzeitig vom ersten und vom letzten Waggon aus. Wir werden Amulette einsetzen und gegebenenfalls versuchen, den Verdächtigen durchs Zwielicht zu überprüfen. Und du sprich noch mal mit Lass. Schließlich gehört er immer noch zu unseren Verdächtigen.«
    Ich zuckte mit den Schultern. All das erinnerte mich bloß schrecklich an die Imitation einer Suche. Im tiefsten Herzen hatte Edgar bereits kapituliert. »Wann ist die Stunde X?«, fragte ich.
    »Morgen Abend«, antwortete Edgar. »Wenn wir durch die menschenleeren Landstriche bei Semipalatinsk kommen. Dort sind sowieso schon Bomben gezündet worden... ein taktischer Sprengkörper mehr richtet dort keinen großen Schaden an.« »Erfolgreiche Jagd«, sagte ich und ging aus dem Abteil.
    Das war doch Wahnsinn. Das alles war nur eine Zeile in einem Bericht, an dem Edgar innerlich schon schrieb. »Ungeachtet der ergriffenen Maßnahmen konnten weder der Täter lokalisiert noch das Fuaran sichergestellt werden...«
    Ab und zu hatte ich schon mal darüber nachgedacht, ob die Inquisition nicht eine reale Alternative zu den Wachen ist. Womit beschäftigen wir uns denn schon? Wir grenzen Menschen und Andere voneinander ab. Achten darauf, dass die Menschen durch die Handlungen der Anderen nur minimal betroffen sind. Gewiss, praktisch ist das unmöglich, denn einige Andere sind von Natur aus Parasiten. Und die Widersprüche zwischen Dunklen und Lichten sind nun mal so, dass Konfrontationen unvermeidlich sind.
    Aber es gibt noch die Inquisition, sie steht über den Wachen, sie bewahrt das Gleichgewicht, sie ist die dritte Kraft und die abgrenzende Struktur einer höheren Ordnung, sie korrigiert die Fehler der Wachen... Und jetzt stellte sich raus: Dem ist nicht so.
    Es gibt keine dritte Kraft. Es gibt sie nicht - und hat sie nie gegeben.
    Die Inquisition ist das Werkzeug, um Dunkle und Lichte voneinander abzugrenzen. Mehr nicht. Sie achtet auf die Einhaltung des Großen Vertrages, aber nicht im Interesse der Menschen, sondern ausschließlich im Interesse der Anderen. Die Inquisition, das sind die Anderen, die wissen: Wir sind alle Parasiten, ein Lichter Magier ist um keinen Deut besser als ein Vampir.
    Und in der Inquisition zu arbeiten heißt, sich damit abzufinden. Es heißt, endgültig erwachsen zu werden, den naiven jugendlichen Maximalismus gegen einen gesunden erwachsenen Zynismus einzutauschen. Anzuerkennen, dass es Menschen gibt und dass es Andere

Weitere Kostenlose Bücher