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3 - Wächter des Zwielichts

3 - Wächter des Zwielichts

Titel: 3 - Wächter des Zwielichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Nach allem, was Olga durchgemacht hatte - über den durchtriebenen Geser brauchte man in diesem Zusammenhang kein Wort zu verlieren -, würde ihr ein solcher Lapsus nicht unterlaufen. Beide würden einem Menschen keine unerfüllbaren Versprechungen machen. Was auch für Semjon zutraf! Ich konnte nicht glauben, dass der weise, im ursprünglichen, allgemein gebräuchlichen Sinne weise Semjon in eine solche Falle laufen würde...
    Also musste ein andrer unserer Meister den Fehler begangen haben.
    Wie stünde ich da, wenn ich eine solche Beschuldigung vorbrächte? »Also, meines Erachtens ist einer von uns der Schuldige. Ein Lichter. Vermutlich Semjon. Oder Olga. Oder Sie selbst, Geser...«
    Wie sollte ich danach noch zur Arbeit gehen? Wie meinen Kollegen ins Gesicht schauen?
    Nein, einen solchen Verdacht konnte ich nicht aussprechen. Ich brauchte Gewissheit.
    Irgendwie schien es nicht angemessen, die Kellnerin zu rufen. Daher ging ich zum Tresen und bat, mir noch einen Kaffee zu machen. Auf das Geländer gestützt, starrte ich nach unten.
    Und entdeckte dort meinen nächtlichen Bekannten. Der Gitarrist und Sammler von albernen T-Shirts, der glückliche Besitzer eines großen englischen Klosetts, stand neben einem offenen Becken, in dem lebende Hummer krabbelten. Auf dem Gesicht von Lass spiegelte sich angestrengte Denkarbeit wider. Dann grinste er und schob seinen Wagen zur Kasse. Ich merkte auf.
    Lass legte gemächlich seine bescheidenen Einkäufe aufs Fließband, unter denen eine Flasche tschechischer Absinth herausragte. »Wissen Sie«, meinte er beim Bezahlen, »da bei Ihrem Hummerbecken...«
    Die Kassiererin lächelte und brachte mit ihrer ganzen Miene zum Ausdruck, dass es in der Tat ein solches Becken gebe, dass in ihm Hummer schwämmen und ein Paar dieser Gliederfüßer ganz ausgezeichnet zu Absinth, Kefir und Tiefkühlpelmenis passe.
    »Also da«, fuhr Lass ungerührt fort, »habe ich gerade gesehen, wie ein Hummer auf den Rücken eines andern geklettert ist, dann den Beckenrand erklommen hat und unter den Tiefkühltruhen verschwunden ist...«
    Die Frau blinzelte ein paar Mal. Kurz darauf erschienen zwei Security-Leute und eine kräftige Putzfrau an der Kasse. Sobald sie die schreckliche Nachricht von der Flucht hörten, stürzten sie auf die Tiefkühltruhen zu. Lass sah sich noch einmal im Supermarkt um und bezahlte.
    Die Jagd nach dem nicht existierenden Hummer erreichte ihren Höhepunkt. Die Putzfrau fuchtelte mit ihrem Schrubber unter den Truhen herum, die Security-Männer wuselten um sie herum. »Zu mir«, schnappte ich auf, »treib ihn zu mir! Gleich hab ich ihn.«
    Mit einem Ausdruck stiller Freude im Gesicht wandte sich Lass dem Ausgang zu.
    »Schlag nicht so toll zu, sonst verbeulst du den Panzer, dann können wir das Ding nicht mehr verkaufen«, warnte einer der Security-Leute.
    Während ich versuchte, das einem Lichten Magier unwürdige Lächeln von meinen Lippen zu scheuchen, nahm ich von der Barfrau meinen Kaffee entgegen. Nein, so einer würde bestimmt nicht mit einer Schere Buchstaben aus einer Zeitung ausschneiden. Das war viel zu langweilig. Mein Handy klingelte. »Hallo, Sweta«, sagte ich. »Wie geht's dir, Anton?« Diesmal lag weniger Sorge in ihrer Stimme.
    »Ich trinke gerade einen Kaffee. Mit den Kollegen habe ich bereits gesprochen. Mit denen von den Konkurrenzfirmen.«
    »Aha«, erwiderte Swetlana. »Gut gemacht. Brauchst du meine Hilfe, Anton?« »Du gehörst doch nicht... zum Personal«, meinte ich verdutzt.
    »Ja und?!«, blaffte Swetlana prompt. »Ich mach mir um dich Sorgen, nicht um die Wache!«
    »Bislang ist das nicht nötig«, beruhigte ich sie. »Was macht Nadjuschka?«
    »Sie hilft Mama Borschtsch kochen«, amüsierte sich Swetlana. »Wird wohl noch ein Weilchen dauern mit dem Mittagessen. Soll ich sie rufen?« »Hm«, meinte ich entspannt und setzte mich ans Fenster.
    Nadja kam jedoch nicht, denn sie wollte nicht mit ihrem Papa telefonieren. Mit zwei Jahren kommt solche Direktheit vor.
    Ein Weilchen unterhielt ich mich noch mit Swetlana. Eigentlich wollte ich sie fragen, ob sie noch immer ihre dummen Vorahnungen hatte, ließ es dann aber doch bleiben. Ihre Stimme sagte mir bereits, dass dem nicht so war.
    Schließlich beendete ich das Gespräch, legte das Handy jedoch nicht beiseite. Im Büro rief ich besser nicht an. Aber wenn ich nun mit jemanden privat sprechen wollte?
    Außerdem musste ich doch wohl in die Stadt fahren, jemanden treffen, mich um meine Handelsgeschäfte

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