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3 - Wächter des Zwielichts

3 - Wächter des Zwielichts

Titel: 3 - Wächter des Zwielichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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...«
    »Habt ihr früher wirklich so ordentliche Arbeit geleistet?«, wunderte ich mich. »Wurde tatsächlich wegen Vieh, wegen irgendeines Bauern ein Wächter hinzugezogen?«
    »Auch früher hat man mal so, mal so gearbeitet«, lächelte Semjon. »Der Sohn des Bauern war ein Anderer, er hat darum gebeten, dass wir uns um seinen Vater kümmern, der sich schon beinah aus dieser Schnur seinen Strick gedreht hätte ... Also bin ich da hingefahren, ganz der einsame Wolf, habe einen Haushalt gegründet, hab sogar bei einer Witwe landen können. Nebenbei habe ich den Täter gesucht. Und verstanden, dass ich auf die Spur einer alten Hexe gestoßen bin, die sich sehr gut getarnt hatte, bei keiner Wache arbeitete und in keiner Liste geführt wurde. Kannst du dir vorstellen, was für eine Intrige sie angezettelt hat? Die Hexe war zwei-, dreihundert Jahre! Sie hatte so viel Kraft gesammelt, dass sie es mit einem Magier ersten Grades aufnehmen konnte! Wie ein Detektiv von Pinkerton habe ich ... nach ihr gefahndet ... Die Hohen Magier wollte ich nicht um Hilfe bitten, das war mir peinlich. Nach und nach habe ich dann einige Anhaltspunkte herausbekommen, den Kreis der Verdächtigen eingegrenzt. Zu ihnen gehörte übrigens auch jene Witwe, die mir so gewogen war...«
    »Und weiter?«, fragte ich begeistert. Auch wenn Semjon gern aufschnitt, diese Geschichte schien zu stimmen.
    »Nichts weiter«, seufzte Semjon. »In Petrograd ist es zum Aufstand gekommen. Die Revolution. Da konnte mir eine abgebrühte Hexe echt egal sein, das wirst du verstehen. Dort floss Menschenblut in Strömen. Ich wurde abbeordert. Ich wollte noch einmal zurück, habe aber nie die Zeit dazu gefunden. Dann ist das Dorf überflutet worden, alle wurden evakuiert. Vielleicht lebt die Hexe gar nicht mehr.« »Schade«, sagte ich.
    Semjon nickte. »Das ist meine Geschichte. Und von der Sorte habe ich noch Unmengen auf Lager. Also nimm's nicht so schwer und mach dich nicht verrückt!«
    »Wenn du ein Dunkler wärst«, meinte ich, »wäre ich mir sicher, dass du den Verdacht nur von dir ablenken willst.«
    Semjon grinste. »Ich bin kein Dunkler, Anton. Das weißt du genau.«
    »Und du weißt nichts über die Initiierung von Menschen ...«, seufzte ich. »Ich hatte so gehofft...«
    Semjon wurde wieder ernst. »Anton, ich sage dir noch etwas. Die Frau, die ich mehr als alles auf der Welt geliebt habe, ist 1921 gestorben. An Altersschwäche.«
    Ich sah ihn an - und wagte es nicht zu lächeln. Semjon machte keinen Spaß.
    »Wenn ich gewusst hätte, wie ich aus ihr eine Andere machen kann...«, flüsterte Semjon, wobei er ins Nichts starrte. »Wenn ich es doch bloß gewusst hätte ... Ich habe ihr meine Identität enthüllt. Habe alles für sie getan. Sie ist nie krank gewesen. Mit dreiundsiebzig sah sie mal gerade wie dreißig aus. Selbst in Petersburg während der Blockade hat es ihr an nichts gefehlt. Als die Rotarmisten ihren Schutzbrief gesehen haben, hat es ihnen die Sprache verschlagen. Ich hatte mir eine Vollmacht von Lenin besorgt... Aber mein Leben konnte ich ihr nicht geben. So etwas geht über unsere Kraft.« Er sah mir finster in die Augen. »Wenn ich gewusst hätte, wie ich Ljubow Petrowna hätte initiieren können ..., hätte ich niemanden um Erlaubnis gebeten. Alles hätte ich auf mich genommen. Ich hätte mich dematerialisiert, wenn ich nur aus ihr eine Andere hätte machen können...«
    Semjon stand auf. Seufzte. »Jetzt ist mir ehrlich gesagt alles egal. Ob es verboten ist, aus Menschen Andere zu machen, interessiert mich nicht im Geringsten. Und dich sollte es auch nicht um deinen Schlaf bringen. Deine Frau ist eine Andere. Deine Tochter ist eine Andere. Reicht dir dieses Glück nicht? Selbst Geser kann davon nur träumen.«
    Er ging, während ich noch ein Weilchen am Tisch sitzen blieb und mein Bier austrank. Der Wirt - der auch Kellner, Koch und Barkeeper war- sah nicht einmal zu mir herüber. Als Semjon hinausgegangen war, hatte er vor den Tisch einen magischen Vorhang gezogen. Was bildete ich mir eigentlich ein?
    Drei Inquisitoren waren hinter der Sache her. Der talentierte Vampir Kostja flatterte als Fledermaus ums Assol herum. Sie würden herausbekommen, wer ein Anderer werden möchte. Ganz bestimmt. Und den Absender würden sie finden - oder auch nicht. Warum gab ich keine Ruhe?
    Die Frau, die ich liebte, war eine Andere. Die außerdem freiwillig auf die Arbeit in der Wache, auf eine glänzende Karriere als Große Zauberin verzichtet hatte. All

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