3 - Wächter des Zwielichts
diesem Fall, ich bin schließlich nur ein vorgeschobener Bauer, der für Ordnung vor Ort sorgt. Nein, Geser runzelt die Stirn, Sebulon blickt finster drein, Viteszlav bleckt die Zähne. Ein Mensch möchte ein Anderer werden! Packt ihn, fasst ihn! Doch wer würde das schließlich nicht wollen?
Nicht den ewigen Hunger der Vampire, nicht die Anfälle von Wahnsinn der Tiermenschen, sondern ein befriedigendes Leben als Magier. Wo alles wie bei einem Menschen ist. Nur besser.
Du brauchst keine Angst mehr zu haben, dass aus deinem Auto die teure Musikanlage gestohlen wird, wenn du es auf einem unbewachten Parkplatz abgestellt hast.
Du kriegst nie wieder Grippe, und wenn du an einer unheilbaren Schweinerei erkrankst, stehen Dunkle Hexenmeister oder Lichte Heiler zu deinen Diensten.
Du brauchst dir nicht länger den Kopf darüber zu zerbrechen, wie du bis Ultimo überleben sollst.
Du hast nachts unterwegs keine Angst mehr und fürchtest dich nicht vor besoffenen Halbstarken. Selbst die Miliz lässt dich kalt.
Du brauchst dir keine Gedanken darüber zu machen, ob dein Kind sicher von der Schule nach Hause kommt und nicht im Hauseingang einem wahnsinnigen Psycho in die Arme läuft...
Andererseits liegt gerade hier der Hund begraben. Deine Familie ist in Sicherheit, sie werden sogar aus der Vampirlotterie herausgenommen. Dennoch rettest du sie nicht vor Alter und Tod. Sicher, noch ist das alles weit weg. Ganz weit weg.
Und insgesamt ist es schon weitaus angenehmer, ein Anderer zu sein.
Außerdem würdest du nichts gewinnen, wenn du dich nicht initiieren lässt. Im Gegenteil, selbst Verwandte dürften dich dann als Idioten beschimpfen. Denn als Anderer könntest du dich für sie einsetzen. So wie Semjon es erzählt hat ... Jemand vergiftet einem Bauern das Vieh, und der Sohn, ein Anderer, sorgt dafür, dass ein Anderer die Sache untersucht. Die Blutsbande machen sich eben doch bemerkbar. Sie sind dicker als Wasser...
Ich erschauerte, als hätte ich einen Stromschlag bekommen. Sprang auf und starrte zum Assol hinüber.
Aus welchem Grund gab ein Lichter einem Menschen das leichtsinnige Verspechen, für ihn alles nur denkbar Mögliche zu tun? Aus einem einzigen! Das war sie, die Spur!
»Ist dir eine Idee gekommen, Anton?«, erklang in meinem Rücken eine Stimme.
Ich drehte mich und erblickte Kostja. Er hatte, wie am Strand nicht anders zu erwarten, lediglich eine Badehose an, trug allerdings noch eine Sonnenbrille sowie einen weißen Kinderhut, der ihm wie ein orientalisches Käppchen auf dem Kopf thronte (bestimmt hatte er ihn ohne Gewissensbisse einem Kind weggenommen). »Brennt die Sonne?«, fragte ich höhnisch.
Kostja verzog das Gesicht. »Total. Hängt da im Himmel wie ein Bügeleisen... Ist dir etwa nicht heiß?« »Doch«, gab ich zu. »Aber das ist eine andre Hitze.«
»Wollen wir die Sticheleien nicht lassen?«, fragte Kostja. Er setzte sich in den Sand und warf angeekelt eine Kippe beiseite. »Ich bade jetzt nur nachts. Aber ich bin gekommen ... um mit dir zu reden.«
Ich fühlte mich nicht wohl in meiner Haut. Vor mir saß ein missmutiger junger Mann, der obendrein ein Untoter war. Aber ich erinnerte mich noch an den verschlossenen Jugendlichen, der verlegen vor meiner Tür stand. »Sie dürfen mich nicht einladen. Ich bin doch ein Vampir, ich könnte sonst eines Nachts wiederkommen und Sie beißen...«
Relativ lange hatte dieser Junge sich beherrschen können. Hatte nur Schweine- und Spenderblut getrunken. Davon geträumt, ein Lebender zu werden. »Wie Pinocchio«, brachte er irgendwann als Vergleich an, nachdem er Collodi gelesen oder den Film A. I. - Künstliche Intelligenz gesehen hatte.
Wenn Geser mich nicht losgeschickt hätte, um Vampire zu jagen ...
Nein, Quatsch. Die Natur hätte so oder so das Ihre verlangt. Und Kostja seine Lizenz bekommen.
Trotzdem durfte ich mich nicht über ihn lustig machen. Ich hatte einen ungeheuren Vorteil - ich war ein Lebender.
Ich konnte mich mit alten Menschen unterhalten, ohne mich zu schämen. Denn darum ging es: um Scham. Viteszlav hatte sich um die Wahrheit herumgedrückt. Weder Angst noch Ekel hielten ihn von den Alten fern. Sondern Scham.
»Tut mir leid, Kostja«, sagte ich und legte mich neben ihn in den Sand. »Lass uns reden.«
»Ich glaube, die ständigen Bewohner des Assol haben mit dem Fall nichts zu tun«, begann Kostja finster. »Der Auftraggeber ist unter denjenigen zu suchen, die sich nur ab und an dort aufhalten.« »Wir müssen alle
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