3 - Wächter des Zwielichts
sich zu. Ich vertiefte mich in die Lektüre.
Anton Gorodezki war, wie sich herausstellte, mit Swetlana Gorodezkaja verheiratet, mit der er die zweijährige Tochter Nadeshda hatte. Ihm gehörte ein kleines Unternehmen, das Milchprodukte vertrieb. Milch, Kefir, Quark, Joghurt...
Die Firma kannte ich. Ein normales Tochterunternehmen der Nachtwache, das für uns Geld erwirtschaftete. Davon unterhielten wir rund zwanzig in Moskau, in ihnen arbeiteten normale Menschen, die nicht die geringste Ahnung hatten, an wen die Gewinne eigentlich flossen.
Kurzum, alles bescheiden, einfach und schlicht. Auf der Mauer, auf der Lauer, wer da wohl kauert? Eben, die Anderen. Da konnte ich ja wohl schlecht mit Wodka handeln...
Ich legte mein Dossier zur Seite und nahm mir die übrigen Mieter vor.
Natürlich brachte das nichts - und es konnte ja kaum viele Informationen über die Menschen geben. Schließlich ist ein Security-Unternehmen - und sei es das eines noch so luxuriösen Wohnkomplexes - nicht das KGB.
Allerdings brauchte ich auch fast nichts. Bloß Informationen über Verwandte. Vor allem über die Eltern.
Als Erstes legte ich diejenigen zur Seite, deren Eltern gesund und munter waren. Auf einen zweiten Stapel packte ich die Mappen von denjenigen, deren Eltern gestorben waren.
Vor allem interessierten mich die einstigen Heimkinder - von ihnen gab es zwei - und diejenigen, bei denen in der Spalte von Vater oder Mutter ein Strich gezogen war. Von Letzteren gab es acht. Diese Fälle legte ich vor mich, um sie genauer zu studieren.
Ein Heimkind sortierte ich sofort aus, das laut Dossier Kontakte zu Verbrecherkreisen unterhielt. Im letzten Jahr war der Mann nicht in Russland gewesen und hatte ungeachtet der Bitte der Justizbehörden nicht die Absicht zurückzukehren. Dann schied ich zwei Kinder mit nur einem Elternteil aus.
Der eine Mann stellte sich als schwacher Dunkler Magier heraus, den ich von einem belangslosen Fall her kannte. Den würden sich jetzt vermutlich die Dunklen vorknöpfen. Wenn sie nichts rauskriegen sollten, hatte der Mann mit der Sache nichts zu tun.
Der zweite Mann war ein recht bekannter Schlagersänger, von dem ich absolut zufällig wusste, dass er seit drei Monaten auf einer Auslandstournee weilte, in den USA, Deutschland und Israel. Vermutlich verdiente er sich das Geld für die Modernisierung zusammen.
Es blieben noch sieben. Eine gute Zahl. Auf sie konnte ich mich jetzt konzentrieren.
Ich öffnete die Mappe und las sie gründlich. Zwei Frauen, fünf Männer... Wer kam für mich in Frage?
Chlopow, Roman Lwowitsch, 42 Jahre, Geschäftsmann ... Das Gesicht rief keine Assoziationen hervor. Ob er es war? Vielleicht...
Komarenko, Andrej Iwanowitsch, 31 Jahre, Geschäftsmann ... Was für ein entschlossenes Gesicht! Und noch relativ jung ... Er? Möglicherweise... Nein, unmöglich! Ich legte die Akte des Unternehmers Komarenko zur Seite. Ein Mann, der mit dreißig Jahren eine hübsche Stange Geld für den Bau von Kirchen opfert und sich durch seine »überdurchschnittliche Religiosität« auszeichnet, hegt nicht den Wunsch, sich in einen Anderen zu verwandeln.
Rawenbach, Timur Borissowitsch, 61 Jahre, Geschäftsmann ... Er wirkte relativ jung für sein Alter. Der entschlossene junge Andrei Iwanowitsch hätte bei einer Begegnung mit Timur Borissowitsch respektvoll den Blick abgewandt. Mir selbst kam das Gesicht bekannt vor, sei es vom Fernsehen, sei es...
Ich legte die Mappe weg. Bekam feuchte Hände. Über meinen Rücken lief ein Kälteschauder.
Nein, nicht aus dem Fernseher, genauer: Nicht nur aus dem Fernseher kannte ich dieses Gesicht... Das konnte nicht sein!
»Das kann nicht sein!«, wiederholte ich meinen Gedanken laut. Ich goss mir einen Kognak ein und trank ihn auf ex. Dann sah ich mir das Gesicht von Timur Borissowitsch noch einmal an. Ein ruhiges, intelligentes Gesicht mit leicht asiatischem Einschlag. Das konnte nicht sein.
Ich öffnete die Mappe und begann zu lesen. Er wurde in Taschkent geboren. Der Vater ... war nicht bekannt. Die Mutter ... starb bei Kriegsende, als der kleine Timur noch keine fünf Jahre alt war. Danach wuchs er in einem Kinderheim auf. Er absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Bauzeichner, danach ein Studium als Ingenieur. Karriere im Komsomol. Irgendwie gelang es ihm, um einen Parteibeitritt herumzukommen. Er hatte eine der ersten Baukooperativen der UdSSR gegründet, die sich übrigens weit stärker mit dem Handel importierter Herde und sanitärer
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