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3 - Wächter des Zwielichts

3 - Wächter des Zwielichts

Titel: 3 - Wächter des Zwielichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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teure, hochverehrte Schrank war noch der alte. Ein schöner alter Schrank. In dem die Bücher jedoch rasant ihr Äußeres veränderten. Falsche Buchstaben hagelten zu Boden, die kunstledernen Rücken verlederten...
    Arina war weg. Nur eine vage Silhouette neben dem Schrank ließ sich erkennen, ein geisterhafter, schneller Schatten ... Die Hexe war in die dritte Schicht des Zwielichts abgetaucht! Theoretisch könnte ich ihr dorthin folgen.
    Praktisch hatte ich das noch nie ausprobiert. Für einen Magier zweiten Grades bedeutet das eine unsagbare Anspannung der Kräfte.
    Doch ich war zu wütend auf die durchtriebene Hexe. Sie hatte versucht, mich zu verzaubern, zu bezirzen... die alte Vettel!
    Ich stand an dem dunklen Fenster und fing die Funken Licht ein, die in die zweite Zwielicht-Schicht drangen. Ich fand - glaubte das zumindest - meinen sehr, sehr schwachen Schatten auf dem Boden...
    Das war das Schwierigste: ihn zu bemerken. Danach gehorchte der Schatten, schoss zu mir hoch und gab mir den Weg frei. Ich trat in die dritte Schicht des Zwielichts.
    In die Analogie des Hauses, errichtet aus Baumzweigen und dicken Stämmen.
    Hier gab es keine Bücher, keine Möbel mehr. Nur ein Nest aus Zweigen. Und Arina, die mir gegenüberstand. Wie alt sie war!
    Wenn auch nicht bucklig wie die Hexe Baba-Jaga aus dem Märchen. Sondern immer noch schlank und hochgewachsen. Ihre Haut war jedoch faltig wie Baumrinde, die Augen lagen tief in den Höhlen. Sie trug nicht mehr als einen schmutzigen Kittel aus Sackleinen. Wie leere Säcke hingen die welken Brüste in dem tiefen Ausschnitt des Kittels. Außerdem war sie kahl, nur eine Strähne ragte wie bei den Wirbeln von Indern auf ihrem Schädel auf.
    »Die Nachtwache!«, wiederholte ich. Die Worte krochen wiederwillig, langsam aus meinem Mund. »Kommen Sie aus dem Zwielicht! Das ist die letzte Warnung!«
    Was wollte ich ihr, die so leicht in die dritte Schicht der Zwielicht-Welt abtauchen konnte, eigentlich anhaben? Keine Ahnung. Möglicherweise gar nichts...
    Doch sie leistete nicht länger Widerstand. Sondern kam auf mich zu - und verschwand.
    Mühevoll kehrte ich in die zweite Schicht zurück. Normalerweise ist es leichter, aus dem Zwielicht herauszukommen, doch die dritte Schicht hatte meine Kräfte aus mir herausgesaugt wie aus einem diplomierten Looser.
    Arina wartete in der zweiten Schicht auf mich. Sie hatte ihr bisheriges Aussehen bereits wieder angenommen. Mit einem Nicken ging sie weiter, der normalen, gemütlichen und ruhigen Welt der Menschen entgegen...
    In kalten Schweiß gebadet, brauchte ich zwei Versuche, um meinen Schatten aufzuheben, bevor mir das endlich gelang. 

Drei
    Arina saß auf einem Stuhl, die Hände bescheiden auf die Knie gelegt. Sie lächelte nicht mehr, sondern war der Inbegriff des Gehorsams selbst.
    »Können wir in Zukunft vielleicht auf diese Tricks verzichten, ja?«, wollte ich wissen, als ich in die reale Welt zurückkam. Mein Rücken war klatschnass, meine Beine zitterten leicht. »Kann ich diese Gestalt behalten, Wächter?«, fragte Arina leise.
    »Wozu?« Diese kleine Rache konnte ich mir nicht verkneifen. »Ich habe Ihre echte Gestalt doch sowieso schon gesehen.«
    »Wer entscheidet, was in dieser Welt echt ist?«, entgegnete Arina nachdenklich. »Das kommt doch wohl darauf an, von wo aus man das Ganze betrachtet ... Halten Sie meine Bitte für weibliche Koketterie, Lichter.«
    »Und der Versuch, mich zu betören, war der auch Koketterie?«
    Arina klimperte mit den Augen. »Ja!«, platzte es aus ihr heraus. »Ich weiß, dass meine Zwielicht-Gestalt ... Aber hier und jetzt sehe ich so aus! Und nichts Menschliches ist mir fremd. Eben auch nicht der Wunsch zu gefallen.«
    »Gut, bleiben Sie so«, brummte ich. »Allerdings kann ich nicht gerade behaupten, dass ich von einer Wiederholung der Show träume ... Nehmen Sie die Illusion von den magischen Gegenständen!«
    »Wie Sie wünschen, Lichter.« Arina fuhr sich mit der Hand übers Haar, um ihre Frisur in Ordnung zu bringen. Kaum merklich veränderte sich das kleine Haus.
    Statt des Kessels stand ein kleiner Topf aus Birkenholz auf dem Tisch. Aus ihm stieg noch Dampf auf. Den Fernseher gab es zwar noch, aber die Leitung führte nicht zu einer imaginären Steckdose, sondern zu einer braunen Tomate.
    »Wie originell«, kommentierte ich und nickte in Richtung Fernseher. »Muss man das Gemüse oft wechseln?«
    »Tomaten jeden Tag«, antwortete die Hexe achselzuckend. »Ein Kohlkopf reicht zwei oder

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