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3 - Wächter des Zwielichts

3 - Wächter des Zwielichts

Titel: 3 - Wächter des Zwielichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Menschen in den Tod getrieben hatte? Dass ein Inquisitor mich bat?
    Oder vielleicht schlicht der Wunsch, die vierte Schicht zu sehen? Die geheimsten Tiefen des Zwielichts, die auch Geser nicht oft zu Gesicht bekam und in der Swetlana niemals gewesen war? »Was soll ich tun?«, fragte ich.
    Auf Edgars Gesicht erstrahlte ein Lächeln. Er streckte mir die Hand entgegen - die Finger endeten in stumpfen, hakenförmigen Krallen. »Im Namen des Großen Vertrages, des Gleichgewichts, das ich bewahre... rufe ich das Licht und das Dunkel an... erbitte ich Kraft... im Namen des Dunkels!«
    Auf seinen fordernden Blick hin streckte ich ebenfalls die Hand aus. »Im Namen des Lichts...«, sagte ich.
    Das Ganze ließ sich in gewisser Weise mit einem Eid vergleichen, den ein Dunkler und ein Lichter sich schwören. Aber nur in gewisser Weise. In meiner Hand loderte kein Flammenzüngchen auf, auf Edgars ballte sich kein Krumen Dunkelheit. Alles lief ohne unser Zutun ab: Die graue, verschwommene Welt um uns herum gewann plötzlich an Schärfe. Nein, die Farben kehrten nicht zurück, wir befanden uns noch immer im Zwielicht. Schatten bildeten sich. Wie auf einem Fernsehbildschirm, bei dem man zuvor die Farbe so weit wie möglich herausgenommen hatte und auf dem man dann wieder ein buntes und kontrastreiches Bild einstellte.
    »Unser Recht wird anerkannt...«, flüsterte Edgar, während er sich umsah. In seinem Gesicht spiegelte sich echtes Glück wider. »Sie erkennen unser Recht an, Anton!« »Und wenn sie es nicht anerkannt hätten?«, hakte ich nach.
    Edgar runzelte die Stirn. »Das hätte sein können ... Aber schließlich haben sie es doch anerkannt, oder? Gehen wir!«
    In diesem neuen, »kontrastreichen« Zwielicht fiel jede Bewegung entschieden leichter. Ich hob meinen Schatten genauso mühelos auf wie in der gewöhnlichen Welt.
    Und gelangte dorthin, wo nur Magier außerhalb jeder Kategorie hindurften. Bäume - wenn es denn Bäume waren - gab es hier nicht mehr. Die ganze Welt um uns herum war eben, flach, ganz wie im Mittelalter der Fladen der Erde, den drei Wale trugen. Kein Relief, bloß eine endlose Sandebene ... Ich bückte mich, ließ eine Hand voll Sand durch meine Finger rieseln. Der war grau, wie im Zwielicht nicht anders zu erwarten. Doch in diesem Grau ließen sich die ersten Farben erkennen, ein rauchiges Perlmutt, bunte Funken, goldschimmernde Körner...
    »Da läuft sie...«, sagte Edgar mir direkt ins Ohr. Und streckte die Hand aus, die überraschend lang und dünn war.
    Ich schaute in die angezeigte Richtung. Und sah in der Ferne - nur in einer Ebene kann man so weit sehen - eine sich rasch entfernende graue Silhouette. Die Hexe bewegte sich mit riesigen Sprüngen vorwärts, schwang sich in die Luft auf, flog gut zehn Meter über die Erde hinweg, mit ausgebreiteten Armen und komisch schlenkernden Beinen, einem fröhlichen Kind gleich, das über eine Frühlingswiese hüpft.
    »Sie hat ihr Elixier ausgetrunken?«, erriet ich. Sonst konnte ich mir diese Sprünge nicht erklären.
    »Ja. Das hat sie nicht umsonst gebraut«, sagte Edgar. Er holte aus und schleuderte Arina etwas hinterher.
    Eine Reihe kleiner Feuerbälle schoss auf die Hexe zu. Der Geschwader-Fireball, ein ganz gewöhnlicher Kampfzauber bei den Wachen, allerdings in einer besonderen Version der Inquisition.
    Einige Kugeln platzten, bevor sie die Hexe erreichten. Eine beschleunigte enorm, traf sie aber dennoch, schnappte nach ihrem Rücken, explodierte und hüllte die Hexe in Feuer. Die Flamme erlosch jedoch augenblicklich wieder, während die Hexe ohne sich umzusehen etwas über ihre Schulter warf - worauf sich dort eine Pfütze aus funkelnder, quecksilbriger Flüssigkeit bildete. Sobald die übrigen Geschosse über diese Lache flogen, verloren sie an Tempo und Höhe, stürzten in die Flüssigkeit und verschwanden. »Hexentricks...«, presste Edgar angewidert hervor. »Anton!«
    »Ja? Was?«, fragte ich, ohne die am Horizont verschwindende Arina aus den Augen zu lassen.
    »Wir müssen zurückgehen. Uns war nur Kraft für die Festnahme der Hexe zugeteilt worden, aber die Jagd ist zu Ende..Wir haben sie nicht gekriegt.«
    Ich sah nach oben. Die glutrote Wolke, die in der vorigen Zwielicht-Schicht geleuchtet hatte, gab es hier nicht. Der ganze Himmel strahlte in einem gleichmäßigen Rosaweiß. Wie seltsam. Hier gab es also wieder Farben... »Gibt es noch mehr Schichten, Edgar?«, fragte ich.
    »Die gibt es immer.« Edgar machte sich offenbar langsam

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