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3 - Wächter des Zwielichts

3 - Wächter des Zwielichts

Titel: 3 - Wächter des Zwielichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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war es für mich verlockender, Kreise zu fahren.< Oder ein Arzt, der einem Patienten ein Abführmittel und Schlaftabletten verschreibt und erklärt: >Ich bin schlechter Stimmung und will mich auf diese Weise mal entspannen.<«
    Sie beugte sich zum Tisch vor und legte das vermeintliche Fuaran weg. »Du bist streng, Mutter.« Ich schüttelte den Kopf.
    »Ich bin Mutter, deshalb bin ich streng«, erwiderte Swetlana. Dann lachte sie. »Ich mache nur Spaß. Die Bücher sind einfach wunderbar. Nur die letzten sind sehr traurig.«
    »Nadjuschka ist mit deiner Mutter zum Fluss runtergegangen«, sagte ich. »Hast du sie getroffen?«
    »Nein, Oxana hat es mir erzählt. >Ihre Nadja ist mit ihrer Omi spazieren gegangen<...«
    Swetlana prustete los. Gleich darauf setzte sie jedoch wieder ein ernstes Gesicht auf. »Sag das ja nicht in Gegenwart meiner Mutter! Das verkraftet sie nicht.« »Für wen hältst du mich? Für einen Kamikaze?« »Erzähl mir lieber, was euer Ausflug gebracht hat.«
    »Die Hexe ist uns entwischt«, berichtete ich. »Wir haben sie bis in die vierte Schicht des Zwielichts verfolgt, aber sie ist uns trotzdem entkommen...«
    »Bis in die vierte?« Swetlanas Augen funkelten auf. »Schwindelst du auch nicht?«
    Ich setzte mich neben sie. Die Hängematte schaukelte empört, die Bäume knarzten, hielten aber stand. Mit knappen Worten gab ich unsere Abenteuer wieder.
    »Ich bin noch nie in der vierten Schicht gewesen ...«, meinte Swetlana nachdenklich. »Wie es da wohl... Dort gibt es also wieder Farben?« »Ich glaube, es gibt da sogar Gerüche.«
    Abwesend nickte Swetlana. »Ja, solche Gerüchte kursieren ... Interessant.«
    Ein paar Sekunden schwieg ich. »Swetlana, du musst in die Wache zurückkehren«, sagte ich dann.
    Entgegen ihrer Gewohnheit schwieg Swetlana. Was mich ermutigte fortzufahren. »Du darfst nicht nur mit halber Kraft leben. Früher oder später wirst du...«
    »Lassen wir das, Anton. Ich möchte keine Große Zauberin werden.« Swetlana grinste. »Kleine Alltagsmagie, das ist alles, was ich brauche.«
    Die Pforte ging, und Ljudmila Iwanowna kam zurück. Ich sah flüchtig zu ihr hinüber, wollte schon wieder woanders hinsehen - als sich mein Blick verständnislos an ihr festhakte.
    Meine Schwiegermutter strahlte. Man hätte glauben können, sie habe gerade eine impertinente Verkäuferin erfolgreich zur Schnecke gemacht, auf der Straße hundert Rubel gefunden oder den Fernsehstar Jakubowitsch, ihren Liebling, mit Handschlag begrüßt.
    Sie ging noch nicht mal wie sonst, sondern leichten Schrittes, mit geraden Schultern und hocherhobenem Kinn. Und mit einem absolut entrückten Lächeln auf den Lippen. »Wir sind geboren, damit das Märchen Wahrheit wird ...«, sang sie leise vor sich hin.
    Ich schüttelte den Kopf. Meine Schwiegermutter lächelte uns sanft an, winkte und ging weiter in Richtung Haus. »Mama!«, rief Swetlana ihr hinterher und sprang auf. »Mama!«
    Meine Schwiegermutter blieb stehen und sah Sweta an - wobei auf ihrem Gesicht immer noch Jenes entrückte Lächeln lag. »Ist mit dir alles in Ordnung, Mama?«, fragte Swetlana. »Aber sicher«, erwiderte Ljudmila Iwanowna zärtlich.
    »Mama, wo ist Nadjuschka?«, brachte Swetlana mit leicht erhobener Stimme hervor.
    »Sie geht mit einer Freundin spazieren«, antwortete meine Schwiegermutter ungerührt. Ich erschauerte.
    »Was sagst du da, Mama?«, schrie Swetlana. »Es ist schon Abend ... die Kinder sind allein unterwegs ... mit was für einer Freundin?«
    »Mit einer Freundin von mir«, erklärte meine Schwiegermutter, nach wie vor lächelnd. »Mach dir keine Sorgen. Ich bin doch kein dummes Weibsbild, dass ich die Kleine allein lassen würde!«
    »Mit was für einer Freundin von dir?«, fuhr Swetlana sie an. »Mama! Was ist mit dir? Wer ist bei Nadja?«
    Langsam kroch das Lächeln vom Gesicht meiner Schwiegermutter, um einem verlegenen Ausdruck Platz zu machen.
    »Mit jener... dieser...« Sie runzelte die Stirn. »Mit Arina. Meine Freundin... Arina... meine Freundin?«
    Was genau Swetlana tat, konnte ich nicht erkennen, doch über meine Haut huschte ein Kälteschauder aus dem zerspaltenen Zwielicht. Swetlana hatte sich nur leicht zu ihrer Mutter vorgebeugt - die daraufhin mit offenem Mund erstarrte und in kleinen Schlucken nach Luft schnappte.
    Die Gedanken von Menschen zu lesen ist recht schwierig, weitaus leichter ist es, sie zum Reden zu bringen. Doch von nahen Verwandten kann man Informationen auf die gleiche Weise bekommen, die

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