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3 - Wächter des Zwielichts

3 - Wächter des Zwielichts

Titel: 3 - Wächter des Zwielichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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wir unter uns anwenden, um Zeit zu sparen.
    Im Grunde brauchte ich diese Informationen jedoch gar nicht. Ich hatte auch so alles verstanden.
    Und nicht Angst packte mich - sondern Leere. Als ob die ganze Welt um mich herum zu Eis erstarrt und stehen geblieben sei.
    »Geh schlafen!«, rief Swetlana ihrer Mutter zu. Ljudmila Iwanowna drehte sich um und stakste zombiegleich aufs Haus zu.
    Swetlana sah mich an. Ihr Gesicht war sehr ruhig - was mich selbst enorm hinderte, mich zu konzentrieren. Letzten Endes fühlt sich ein Mann einfach stärker, wenn seine Frau verängstigt wirkt.
    »Sie ist auf die beiden zugekommen. Hat sie angepustet. Dann hat sie Nadenka bei der Hand genommen. Ist mit ihr in den Wald gegangen«, presste Swetlana heraus. »Und sie, diese ausgemachte Obernärrin ... geht noch eine Stunde lang spazieren!«
    In diesem Moment begriff ich, dass Swetlana kurz davor stand, hysterisch zu werden. Und konnte mich selbst konzentrieren.
    »Was sollte sie gegen eine Hexe schon ausrichten?« Ich packte Swetlana bei den Schultern und schüttelte sie. »Deine Mutter ist nur ein Mensch!«
    In Swetlanas Augen schimmerten Tränen, die jedoch gleich wieder verschwanden. Plötzlich stieß sie mich sanft weg. »Geh zur Seite, Anton, ich hake mich bei ihr an ...«, sagte sie. »Und du kannst mir sowieso nicht helfen...«
    Ich ließ mich auf keinen Streit ein. Nach Edgars und meinem Abenteuer war ich keine große Hilfe mehr. Auch über Kraft, die ich mit Swetlana hätte teilen können, verfügte ich kaum noch.
    Ich lief ein paar Schritte weg, umfasste den Stamm des kümmerlichen Apfelbaums, der bald absterben würde. Dann schloss ich die Augen. Die Welt um mich herum erbebte. Ich spürte, wie das Zwielicht sich bewegte.
    Swetlana sammelte keine Kraft aus der Umgebung, wie ich es getan hätte. Ihr reichte die eigene, die sie so hartnäckig ignorierte, ungenutzt ließ - und von der sie dabei nur immer mehr anhäufte. Angeblich sollen weibliche Andere nach einer Geburt einen enormen Kraftzustrom verspüren, doch bei Swetlana hatte ich damals keine Veränderung gespürt. Alles war irgendwohin verschwunden, hatte sich verkrochen, angesammelt. Für einen schwarzen Tag - wie sich jetzt zeigte.
    Die Welt verlor ihre Farbe. Ich begriff, dass ich ins Zwielicht gefallen war, in die erste Schicht. Die Magie drängte dermaßen auf alles ein, dass nichts, was nur ein wenig magisch war, sich in der menschlichen Realität halten konnte. Das Buch Fuaran, Phantasie oder Wirklichkeit? fiel durch den Holztisch und schlug hart auf dem Boden auf. In der Nachbarschaft, drei Häuser weiter, loderten auf dem Dach Klumpen blauen Mooses - diese im Zwielicht lebenden Parasiten unserer Emotionen - auf, die sofort verbrannten.
    Ein weißes Leuchten hüllte Swetlana ein. Sie fuhr rasch mit den Händen auf und ab, als spinne sie unsichtbares Garn. Im nächsten Augenblick tauchte dieses »Garn« auf, dünne, spinnenwebartige Fäden lösten sich von ihren Fingern und flogen davon, getrieben von einem nicht vorhandenen Wind. Um Swetlana herum tobte ein Schneesturm. Der sich legte, sobald die funkelnden Fäden in alle Richtungen davongeweht waren. »Was tust da?«, schrie ich. »Sweta!«
    Ich kannte den Zauber, den sie gerade eben gewirkt hatte. Selbst ich hätte das »Schneeige Spinnennetz« aufwerfen können, eventuell nicht so effektiv, nicht so schnell, aber trotzdem ...
    Swetlana antwortete nicht. Wie bei einem Gebet reckte sie die Arme zum Himmel. Dabei glauben wir weder an Götter noch an Gott. Wir sind unsere eigenen Götter und unsere eigenen Dämonen.
    Von Swetlanas Hand riss sich eine regenbogenfarbige, überballgroße Kugel los, eine Seifenblase, die voller Grandezza am Himmel dahinsegelte. Die Blase vergrößerte sich und begann, sich langsam um die eigene Achse zu drehen. Ein dunkelroter Fleck auf der durchscheinenden regenbogenfarbigen Hülle gemahnte an den Planeten Jupiter. Als der rote Fleck mir bei einer Drehung gegenüberstand, nahm ich eine kalte sengende Berührung wahr, gleichsam als streife mich eisiger Wind.
    Swetlana hatte das »Auge des Magiers« geschaffen. Abermals Magie ersten Grades. Und das sofort nach dem »Schneeigen Spinnennetz«!
    Beim dritten Zauber, den sie so unfassbar schnell wirkte, dass ich vermutete, Swetlana habe ihn seit langer Zeit für ebensolche Fälle eingeübt, schickte sie eine Schar mattweißer, geisterhafter Vögel aus ihren Handflächen gen Himmel. Man hätte sie als Tauben bezeichnen können - wären die

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