30 - Auf fremden Pfaden
hätten, und die allzu forschenden Blicke, mit denen sie uns betrachteten, wollten mir wenig gefallen. Ich fragte sie, ob der Schech el Beled (Dorfältester) zu sprechen sei, und ließ mich, als sie dies bejahten, zu ihm führen. Er wohnte in einer ziemlich umfangreichen Erdhütte, aus deren offener Tür er trat, als er uns kommen hörte. Auch hier kam es mir so vor, als ob er uns erwartet habe. Ich fragte ihn, ob er den Reitertrupp gesehen habe, welcher vor uns hier durchgekommen sei.
„Natürlich habe ich ihn gesehen“, antwortete er. „Sie haben hier am Brunnen gehalten und ihre Schläuche gefüllt.“
„Wohin sind sie dann?“
„Dahin“, sagte er, indem er nach Westen deutete.
„Also nicht auf der Pilgerstraße weiter?“
„Nein, denn da würden sie nicht nach ihrem Duar kommen, und sie wollten doch heim.“
„Heim? So weißt du also wohl, wo sie wohnen?“
„Ja.“
„Und wer sie sind?“
„Freilich weiß ich es.“
„Nun, wer?“
„Es war Humam Ben Dschihal, der Scheik der Hadesch-Araber mit einigen Kriegern. Sie sind in Kubbet el Islam gewesen, um Ibn Risaa zu verehren. Der Scheik hatte ein Gelübde getan.“
„Und wo wohnen sie?“
„Im Wadi Bascham, jenseits der Wasit-Straße, drei Tagesreisen von hier.“
„Du bist sicher, daß du dich nicht irrst?“
„Wie sollte ich mich irren! Humam Ben Dschihal ist mein Freund und Bruder, den ich oft besuche.“
„Wie lange hat er sich hier aufgehalten?“
„Keine halbe Stunde; er hatte sehr große Eile, nach seinem Wadi Bascham zu gelangen.“
„Hat er dir gesagt, weshalb?“
„Nein, denn ich habe ihn nicht gefragt. Wollt ihr absteigen und eure Schläuche füllen?“
Wir hatten auch Schläuche mitbekommen, denn ein Wasserschlauch gehört, sozusagen, in jenen Gegenden zum Sattelzeug.
„Ja, wenn ihr es erlaubt“, antwortete ich.
„Ich erlaube es, wenn ihr dafür die gebräuchliche Taxe bezahlt.“
Ich gab ihm das Geld, welches eine nur geringe Summe war, stieg ab und gebot Halef, die Pferde an den Brunnen zu führen, sie dort zu tränken und dabei die Schläuche mit Wasser zu füllen. Dann machte ich allein einen Gang um den Ort, um nach den vorhandenen Spuren zu sehen. Es war richtig: die Fährte, welcher wir zu folgen hatten, führte in der bezeichneten Richtung weiter; der Schech el Beled schien mich also nicht belogen zu haben. Dennoch aber hatte ich das Gefühl, daß ich ihm nicht trauen dürfe.
Da wir nun wußten, mit wem wir es zu tun hatten, war Eile nicht nötig, und wir konnten hier in Mangaschania auf den Scheik der Muntefik warten, um dann mit ihm und seinen Leuten zusammen weiterzureiten; ein augenblickliches Verfolgen der Fährte war nun überflüssig geworden. Halef war damit einverstanden.
Die Leute von Mangaschania brachten uns für eine geringe Bezahlung zu essen und verhielten sich überhaupt sehr aufmerksam gegen uns. Dabei behandelten sie mich mit großer Scheu, und ich bemerkte wiederholt, daß ihre Augen mit einem ganz besonderen Ausdruck auf meinem Gesicht ruhten. War ich ihnen als der bekannte Kara Ben Nemsi beschrieben worden? Das konnte nur der Mörder getan haben, welcher überzeugt war, daß ich ihn verfolgen werde, und ihnen dies gesagt hatte. Das vergrößerte mein Mißtrauen.
Kurz nach Mittag kam Abd el Kahir mit unsern Haddedihn und seinen Muntefik-Arabern. Er hatte nicht geglaubt, mich hier zu finden. Als ich ihm sagte, was ich erfahren hatte, rief er aus:
„Das leuchtet mir ein, Emir. Dieser Scheik der Hadesch-Araber ist ein Räuber, und ich traue ihm wohl zu, daß er es gewesen ist. Allah wird ihn dafür vernichten, daß er es gewagt hat, meinen ehrlichen Namen zu mißbrauchen! Wir reiten ihm augenblicklich nach. Ich kenne den Weg nach dem Wadi Bascham, wenn ich auch noch nicht dort gewesen bin.“
Wir brachen sogleich auf und ritten, bis es dunkel geworden war. Dann lagerten wir uns mitten in der Wüste. Ich bat den Scheik, Wachen auszustellen; er lachte darüber und tat es nicht. Da ich aber diese Vorsicht nie zu versäumen pflegte, loste ich die Wachen mit den Haddedihn aus. Ich selbst übernahm mit einem von ihnen die erste. Nach zwei Stunden wurden wir von Halef und Omar abgelöst und legten uns nieder. Bald aber weckte mich ein Schuß. Ich sprang auf und fragte, wer geschossen habe. Omar war es gewesen. Er hatte eine Gestalt heranschleichen sehen und sie angerufen; da eine Antwort nicht erfolgt war, hatte er auf sie geschossen. Ob es ein Mensch oder ein Tier gewesen war, wußte
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