Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
anzurufen.“
    „Gegen wen?“
    „Gegen Abd el Kahir, den Scheik der Muntefik-Araber.“
    „Gegen Abd el Kahir?“ fragte er erstaunt.
    „Gegen Abd el Kahir?“ sagte auch der andere.
    Die beiden sahen einander mit großen Augen an und schüttelten die Köpfe.
    „Hast du etwas gegen diesen Scheik?“ erkundigte sich hierauf der Mutessarif.
    „Nicht nur etwas, sondern sehr viel.“
    „Sage es.“
    „Abd es Kahir ist ein Räuber und Mörder, um dessen Bestrafung ich dich bitten möchte.“
    „Räuber! Mörder!“ riefen beide zu gleicher Zeit. Sie schienen diesen Scheik für einen grundehrlichen und grundbraven Mann zu halten; darum beeilte ich mich, sie etwas besser zu belehren, indem ich ihnen erzählte, was geschehen war.
    Der Mutessarif hörte mich ruhig an; des andern aber bemächtigte sich eine stets wachsende Aufregung, in welcher er mich oft mit einem Kraftwort unterbrach. Als ich fertig war, rief er, sichtlich in höchstem Zorn, aus:
    „Sollte man das für möglich halten! Kann so etwas wirklich geschehen! Wehe diesem Hund, wenn ich ihn jemals erwische!“
    Um den Mund des Mutessarif spielte wieder ein Lächeln, diesmal aber ein ironisches.
    „Kannst du uns die Versicherung geben, daß deine Erzählung wirklich wahr ist?“ fragte er mich.
    „Ja.“
    „Ich glaube, daß du in fester Überzeugung sprichst, aber du irrst dich; du hast die Wahrheit nicht gesagt, sondern einen völlig Unschuldigen beschuldigt.“
    „Wenn dies der Fall ist, so habe ich richtig geahnt, und der Mann ist gar nicht Abd el Kahir, der Scheik der Muntefik, gewesen.“
    „Er war es nicht, denn Abd el Kahir sitzt hier vor deinen Augen neben mir.“
    Es läßt sich denken, daß diese unerwartete Eröffnung mich nicht sonderlich erbaute; aber in Verlegenheit brachte sie mich doch nicht, denn der Scheik hatte keine Veranlassung, mir zu zürnen. Um so mehr ergrimmt war er auf den Menschen, der sich seines Namens bedient hatte. Er sprang auf, lief im Selamlük hin und her und fragte immerfort, wer es doch wohl gewesen sein möge. Ich beschrieb die Person möglichst genau und erwähnte dabei auch die Stirnnarben.
    „Das ist kein Kennzeichen“, meinte er. „Es gibt Stämme, bei denen alle Krieger Narben tragen.“
    „Das meine ich eben. Man kann dadurch vermuten, zu welchem Stamm er gehört.“
    „Sie können auch von einer zufälligen Verwundung herrühren.“
    „Nein. Ich bin vollständig überzeugt, daß sie mit Absicht eingeschnitten worden sind.“
    „Dann wäre es notwendig, zu wissen, ob seine Leute gerade auch solche Narben hatten.“
    „Das kann ich nicht sagen.“
    „Du mußt es aber doch wissen, denn du hast sie gesehen und sogar mit ihnen gekämpft!“
    „Gesehen nur einen einzigen Augenblick, und während des ebenso kurzen Kampfes waren wir in dichten Staub gehüllt.“
    „Deine Haddedihn wissen es vielleicht?“
    „Darf ich gehen, sie zu fragen?“
    „Wenn du erlaubst, tue ich es selbst.“
    Er ging; als er nach kurzer Zeit zurückkehrte, sagte er:
    „Sie haben alle dieselben Stirnnarben gehabt, welche also ein Stammeszeichen sind. Zwei Narben, eng nebeneinander von rechts nach links schräg über die Stirn gehend, werden von einigen Abteilungen der Tamim-Araber getragen.“
    „Wo wohnen diese?“ erkundigte ich mich.
    „Auf dem Karawanenweg von hier nach Mekka“, antwortete er.
    „Kannst du die Gegend nicht genauer angeben?“
    „Da müßte ich wissen, zu welchem Zweige der Tamim diese Halunken gehören, welche sich meines ehrlichen Namens bedient haben. Das soll ihnen vergolten werden. Es ist das eine Schändung, welche nur mit Blut abgewaschen werden kann. Ich schließe mich den Truppen an, welche du gegen sie aussenden wirst.“
    Der Mutessarif, an den diese letzten Worte gerichtet waren, zuckte die Achseln und erklärte:
    „Meine Macht erstreckt sich nur bis El Hufeir, wo die Grenze von Irak ist; die Tamim aber wohnen jenseits derselben. Ich werde den Händler kommen lassen, bei dem der angebliche Scheik gewesen ist.“
    Es wurde ein Polizeisoldat geschickt, diesen Mann zu holen. Wir erfuhren, daß er den echten Abd el Kahir ebensowenig kannte wie ich vorher, und dem falschen seine Versicherung, es zu sein, geglaubt habe. Dieser hatte ihm verschiedene Gegenstände verkauft, welche sehr wahrscheinlich die Ergebnisse eines Beutezuges waren.
    Nun wußten wir gerade soviel wie vorher. Wir berieten hin und berieten her und kamen zu dem Resultat, daß die Mörder bei den Tamim zu suchen seien. Es

Weitere Kostenlose Bücher