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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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wie Mesuds Tod. Was Halef gesagt hatte, war richtig: wir hatten diesen Waffen viele unsere Erfolge und oft sogar das Leben zu verdanken gehabt. Welche Dienste hatte besonders der Henrystutzen mir und andern erwiesen! Ich war wirklich fest entschlossen, auf seine Wiedererlangung das Leben zu setzen.
    Mittag war längst vorüber, als wir in Basra ankamen, und wir begaben uns, ohne vorher zu essen, sofort nach der Residenz des Mutessarif. Dieser war, wie ich wußte, ein Gesinnungsgenosse des berühmten Midhat Pascha, welcher als Generalgouverneur von Bagdad so viel für das Wohl dieser Provinz getan und erreicht hatte, also ein reformatorisch gestimmter Moslem, und so hoffte ich, daß ihm mein Glaube keine Veranlassung sein werde, mir seine Hilfe zu versagen.
    Ich wurde von der Dienerschaft mit dem Bedeuten abgewiesen, daß ich morgen oder übermorgen oder auch in einigen Wochen, ‚wie Allah will‘, wieder anfragen solle, weil der Gebieter gerade jetzt eine wichtige Besprechung habe. Es fiel mir aber nicht ein, mich auf türkisch fortkomplimentieren zu lassen, sondern ich schickte ihm meine Legitimationen hinein und wartete den Erfolg ab. Schon nach einigen Minuten wurde ich unter tiefen Verbeugungen aufgefordert, in das Selamlük (Empfangszimmer) zu treten.
    In diesem saß, rauchend und Kaffee trinkend, der Gouverneur mit einem sonnverbrannten und beduinisch gekleideten Mann, der aber kein gewöhnlicher Nomade sein konnte, weil er die Ehre hatte, an der Seite des Mutessarif Platz zu finden.
    Dieser empfing mich mit einer sehr gnädigen Handbewegung, winkte mich näher, drückte meine mit dem großherrlichen Siegel versehenen Papiere an die Stirn, den Mund und die Brust und forderte mich, sie mir zurückgebend, auf, mich ihm gegenüber niederzusetzen. Er tat dies mit Hilfe der französischen Sprache, welche er aber in der Weise radebrechte, daß ich ihn nicht halb verstehen konnte, sondern erraten mußte, was er meinte.
    Als ich mich gesetzt hatte, klatschte er in die Hände, um mir auch Kaffee und eine Pfeife reichen zu lassen; dann saßen wir uns eine Weile stumm, rauchend und trinkend gegenüber. Er befand sich augenblicklich in großer Verlegenheit. Wie sollte ich, der Europäer, ihn bei seinem so mangelhaften Französisch verstehen! Endlich begann er, wieder zu sprechen, aber so wirr, daß ich es wagte, ihm in die Rede zu fallen und mitzuteilen, daß mir die Sprache des Landes geläufig sei.
    „Allah sei Dank!“ rief er da froh aus. „Die Sprachen des Abendlandes sind wie die Räder eines Ochsenwagens; man hört sie wohl rollen, aber sie haben keine Worte. Der Padischah, dem Allah tausend Jahre geben möge, hat dich mit seinem ganz besonderen Schutz begnadigt. Ich habe deinen Namen auf dem Papier gesehen. Wie ist er auszusprechen?“
    „Mein Name klingt hier fremd. Vielleicht hast du die Güte, mich bei demjenigen zu nennen, den mir die Bewohner dieses Landes gegeben haben.“
    „Wie lautet er?“
    „Kara Ben Nemsi.“
    Da stieß der neben ihm sitzende Beduine einen Ruf der Überraschung aus und fragte mich, seine Augen gespannt auf mich richtend:
    „Bist du etwa jener Alemani, welchem Mohammed Emin seinen berühmten Hengst Rih geschenkt hat?“
    „Ja, der bin ich.“
    „Maschallah! So habe ich viel von dir gehört.“
    Er sprach hierauf leise auf den Mutessarif ein, was keine Höflichkeit gegen mich war, aber doch recht gut gemeint zu sein schien, denn das Gesicht des Gouverneurs wurde heller und heller, bis um seinen Mund ein breites Lächeln entstand und er mich fragte:
    „Auch ich habe schon von dir gehört. Du bist also der Fremdling, welcher damals den Mutessarif von Mosul so listig gezwungen hat, seinen eignen Makredsch (Oberrichter) abzusetzen und zur Befreiung seines Gefangenen selbst beizutragen?“
    „Ja“, antwortete ich der Wahrheit gemäß, obwohl mir diese Frage keineswegs angenehm sein konnte.
    Bis jetzt hatte er nur gelächelt, nun aber lachte er laut und fuhr fort:
    „Du brauchst keine Sorge zu haben, denn dieser Mutessarif war mein Gegner, welcher mir und andern viel zu schaffen gemacht hat. Man erfuhr, wie es damals zugegangen war; der Koch hatte den Verräter gemacht, und sein Herr wurde bald darauf versetzt. Ich bin dir sehr wohlgewogen. Wenn du etwa gekommen bist, einen Wunsch auszusprechen, so soll er dir erfüllt werden, wenn es möglich ist.“
    „Ich bin allerdings mit einer Bitte gekommen.“
    „So sprich sie aus!“
    „Ich sehe mich gezwungen, dich um deinen Schutz

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