30 - Auf fremden Pfaden
Armen sehr tief und rief:
„Gibrail Bei! Welch große Ehre! Kommst du mit einem Befehl für den gehorsamen Reiniger deiner Pfeifen?“
„Nein. Ich möchte wissen, ob der Mann, den ich hier bei dir sehe, der fremde Kara Ben Nemsi Effendi ist.“
„Er ist's, o Herr.“
Da verneigte sich Gibrail sehr höflich gegen mich und sagte:
„Effendi, ich bin der Sohn von Abu Gibrail, welchem das große Haus auf der jenseitigen Gasse gehört. Ich habe erfahren, daß du klug und weise in allen Dingen bist, und soll dich bitten, jetzt einmal zu meinem Vater zu kommen, welcher mit dir zu sprechen wünscht.“
„Worüber will er mit dir reden?“
„Verzeih, Effendi! Er möchte es dir gern selbst sagen.“
„Gut, ich gehe mit.“
Abu Gibrail! Das war ja der Besitzer des großen Hauses, an welches hinten die Hütte des Bettlers stieß. Ich dachte zwar einen Augenblick lang an die mir gewordenen Warnungen, glaubte aber, gar nichts zu wagen, wenn ich jetzt mitging. Er führte mich durch eine Neben- in die Parallelgasse, wo ein Diener bereit stand, uns das Tor zu öffnen. Es ging durch den Hausgang in den Hof und von da aus in ein Zimmer, welches das Besuchszimmer zu sein schien. Durch zwei Türen brachte mich Gibrail Bei in ein drittes Zimmer, gegen dessen seine Ausstattung der Anzug, den ich trug, so abstach, wie das Gefieder einer Krähe gegen dasjenige eines Paradiesvogels.
„Setz dich nieder, Effendi!“ sagte mein Führer. „Erlaube, daß ich mich entferne! Mein Vater wird gleich kommen.“
Er ging, und ich ließ mich auf das Samtpolster nieder, welches sich in drei Wänden des Zimmers hinzog. Wenige Augenblicke später brachte ein schwarzer Diener Kaffee, Pfeifen und köstlichen Tabak. Ich trank und rauchte. Vielleicht zehn Minuten vergingen, da kam ein anderer Diener, der – – – ich sprang erstaunt in die Höhe – – – meinen Koffer und meine Gewehre brachte. Ich öffnete den Mund, um eine Frage auszusprechen, da deutete er hinter mich und ging. Ich drehte mich um; da stand – – – der Bettler, welcher durch die andere Tür eingetreten war, der Bettler!
Ja, er war es, er mußte es sein, obgleich er ganz anders aussah, als bisher. Aller Schmutz war von ihm verschwunden und das Gewand, welches er trug, von reinster Seide. Er streckte mir die Hand entgegen und fragte mich lächelnd:
„Mich hast du hier jedenfalls nicht erwartet, Effendi?“
„Nein, allerdings nicht“, antwortete ich.
„Du bist erstaunt; ich sehe es dir an. Du blickst in ein Geheimnis, welches ich dir nicht offenbaren würde, wenn ich dich nicht liebte und dich gegen deinen Willen retten wollte. Ich bin Abu Gibrail, der Besitzer dieses Hauses, und zugleich der Bettler vom Bab Zuweileh. Wie das zusammenhängt, wirst du später erfahren, falls du mir versprichst, es niemandem zu sagen. Ich habe dich durch meinen Sohn holen lassen, weil du bei dem Reiniger der Pfeifen heut nicht sicher bist.“
„Warum nicht sicher?“
„Darüber darf ich jetzt nicht sprechen. Du bist mein Gast. Setz dich nieder! Willst du mir dein Wort geben, daß du in dieser Nacht mein Haus nicht verlassen wirst?“
„Ich gebe es.“
„Gut, so kann ich gehen. Es ist mir heut leider nicht möglich, dir Gesellschaft zu leisten, doch wirst du alles bekommen, was du wünschest. Du brauchst nur in die Hände zu klatschen, so kommt ein Diener herein. Gute Nacht, Effendi!“
Er gab mir die Hand und ging.
War das nicht ein Abenteuer? Wie ein Kapitel aus Tausend und einer Nacht? Ich bekam sehr gut zu essen. Man brachte mir sodann Bücher, damit ich mich nicht langweilen möge; aber ich konnte nicht lesen und später lange auch nicht einschlafen. Meine Gedanken waren ganz und gar von diesem Abenteuer in Anspruch genommen. Endlich aber schlief ich doch auf dem weichen Polster ein.
Ich erwachte nicht von selbst, sondern ich wurde geweckt. Esch Schahad stand mit einer Laterne vor mir und sagte in hastiger Weise.
„Steh schnell auf, Effendi; du must fort! Man hat den Reiniger der Pfeifen gezwungen, zu sagen, wohin du bist; man wird kommen und mein Haus nach dir durchsuchen. Der Militäraufstand ist im vollsten Gang; Ägypten den Ägyptern, heißt die Parole; den Europäern droht der Tod. Ich muß dich retten. Komm, und folge mir!“
Er führte mich in den Hof und auf der andern Seite desselben durch einen engen Gang. Eben begann der Morgen zu dämmern. Wir kamen an eine halb verfallene Mauer.
„Das ist die hintere Seite des Bettlerhauses“, sagte
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