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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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meines Winnetou, fast bis auf die Stunde zu bestimmen. Die zwei Indianer hatten zwar vor den Burnings einen Vorsprung von zwei Tagen, waren aber als Fußgänger jetzt von ihnen beinahe eingeholt worden; jedenfalls mußten sie heut abend oder morgen früh von ihnen eingeholt werden. Grinder und Slack waren einen Tag nach den Burnings von Niobrasa fort; sie hatten aber, wie ihre Fährte uns sagte, ihre Pferde so angestrengt, daß sie jetzt hart hinter den beiden Brüdern ritten. Das erhöhte meine Sorge. Aus welchem Grund waren diese zwei Menschen so schnell geritten? Um die Burnings einzuholen und zu überfallen oder nur um rasch nach Fort Hillock zu kommen? Das letztere war ja auch sehr leicht zu denken, aber ich konnte mich dabei nicht beruhigen. Die nächsten Stunden mußten uns Gewißheit bringen. Sagten uns da die Spuren, daß Grinder und Slack die Burnings überholt hatten, so waren meine Befürchtungen grundlos gewesen.
    Wir fegten also im Galopp über die Ebene, immer neben den drei Fährten her und sie scharf im Auge behaltend. Es verging eine Stunde und noch eine, da parierte Winnetou sein Pferd und sagte, als ich das meinige auch anhielt, in seiner bestimmten Weise:
    „Die beiden weißen Männer, welche sich Burnings nennen, sind verloren; sie werden heute nacht ermordet werden.“
    Ich nickte nur, denn ich war ganz derselben Meinung wie er. Er fuhr fort:
    „Der Unterschied zwischen diesen beiden Fährten beträgt eine Stunde; er ist während eines Rittes von über acht Meilen nicht geringer geworden; also wollen Grinder und Slack die Burnings nicht überholen, sondern sie erst, wenn es dunkel geworden ist, erreichen und ermorden.“
    „Herrgott!“ fuhr ich auf. „Und es ist uns unmöglich, Rettung zu bringen!“
    „Howgh!“ stimmte er bei. „Es ist uns unmöglich, sie so schnell einzuholen, denn in zwei Stunden wird es Nacht, und da können wir die Fährten nicht mehr sehen. Folgen wir ihnen trotzdem so schnell wie möglich, und beten wir zum großen Manitou, daß er die Brüder beschützen möge!“
    Hast du vielleicht einmal Todesangst ausgestanden, lieber Leser, richtige, wirkliche, entsetzliche Todesangst? Wohl kaum! In Beziehung auf meine Person ich auch nicht, obgleich ich mich wie oft in Todesgefahr befunden habe; ich habe den Tod nie gefürchtet und fürchte ihn auch heut nicht, denn er ist der liebe Engel, welcher die Kinder Gottes zu ihrem himmlischen Vater führt. Aber um anderer willen habe ich diese Angst nicht nur ein- und nicht nur zehnmal ausgestanden. So auch hier während dieses Nachmittags, dieses Abends und der darauf folgenden Nacht. Von der Gewißheit eines Mordes überzeugt sein und doch nicht retten können! Diese Nacht, die wir am Gebüsch eines kleinen Nebenflüßchens des Loux-Fork zubrachten, werde ich nie vergessen!
    Wenn Schnee gelegen hätte, hätte er uns geleuchtet; die Spuren wären zu erkennen gewesen, und wir hätten die Freveltat vielleicht verhüten können; aber ohne Schnee gab es keine des Nachts sichtbare Spuren; wir mußten trotz der Ungeduld, die uns nicht schlafen ließ, warten bis der Wintertag zur leider späten Morgenstunde anbrach. Sobald es im Osten nur einigermaßen zu grauen begann, saßen wir auf und ritten weiter. Es gab noch eine Hoffnung, nämlich die, daß die Burnings kein Lagerfeuer angebrannt hatten und infolgedessen von Grinder und Slack nicht gesehen und gefunden worden waren; aber diese Hoffnung wurde immer schwächer und schwächer, als wir bemerkten, daß die beiden Fährten sich der Zeit nach einander immer mehr näherten. Grinder und Slack hatten sich gestern, als es zu dunkeln begann, so nahe wie möglich an die Brüder herangemacht. Jeder Augenblick konnte uns jetzt die traurige Gewißheit bringen, daß zwei Menschenleben vernichtet worden seien.
    Wir ritten einem Buschwerk zu, um dessen Ecke die Spuren bogen. Als wir dieser Biegung gefolgt waren, prallten unsere Pferde, ohne von uns angehalten worden zu sein, von selbst zurück. Da lagen die Burnings bei der Asche eines ausgegangenen Feuers in einer großen Blutlache. Wir sprangen von den Pferden, um die Körper zu untersuchen. Es war kein Leben mehr in ihnen; der Tod hatte sie schon gestern abend ereilt. Zu unserm Erstaunen sahen wir, daß sie nicht erschossen, sondern erstochen worden waren. Einen Menschen zu erstechen, dazu gehört mehr Mut, als ihn aus sicherer Entfernung zu erschießen. Waren die Mörder vielleicht nicht so feig, wie sie mir vorgekommen waren? Oder hatten sie

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