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30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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griffen, da die Stube nun zu wenig Raum bot, mit zu, um in den Hof Tische heraus zu schaffen, an denen bald die ganze Gesellschaft Platz genommen hatte, um durch herüber und hinübergehende Fragen und Antworten sich über die vorgekommenen Ereignisse genügend zu unterrichten.
    Die Versammlung von Klaarfontein hatte unterwegs nichts Besonderes erlebt, war aber um uns und die Farm in großer Besorgnis gewesen und hatte daher ihren Ritt möglichst zu beschleunigen gesucht. Quimbo, den ich ihnen empfohlen hatte, war vermißt worden, doch hatten sie sich mit einer langen Forschung nach ihm nicht aufhalten wollen. Er mußte jetzt einige Vorwürfe anhören, die er in großer Gemütsruhe entgegennahm. Den gefangenen Engländer hatte man natürlich mitgebracht; er wurde zu Tschemba, dem falschen Makololo, gesteckt, um da das weitere zu erwarten.
    Somi aber saß nicht unter uns. Er hatte sich, als er kaum vom Pferd gestiegen war, durch das Tor entfernt. Jetzt kehrte er zurück, ein starkes Bündel Kräuter in der Hand, in denen ich eine Polygaleenart erkannte, die untermischt war mit den Blättern von Erythrina Corallodendron. Er trat mit ihnen zu mir.
    „Gut' Deutschland hab' Wund'; Somi hab' gut Kraut für Wund', daß nicht komm' Fieber und heil' schnell zu. Gut', tapfer' Deutschland zeig' Wund, daß Somi verbind'!“
    Ich hatte oft mich selbst überzeugt, daß wilde Völkerschaften Pflanzen medizinisch anzuwenden verstehen, von deren außerordentlicher Heilkraft unsere Wissenschaft keine Ahnung hat; war daher sofort bereit, seine Hilfe anzunehmen, und trat mit ihm zur Seite, um mich von ihm von neuem verbinden zu lassen.
    Als er die Wunde sah, machte er ein sehr bedenkliches Gesicht.
    „Wund' sein bös, sein nicht von schneid' oder stech' und schieß', sondern von wild' Tier; heil' schlecht. Somi darf nicht bloß Kraut, sondern muß erst nehm' Saft von Kraut. Aber Deutschland sein stark; Deutschland werd' hab' viel groß' Schmerz, aber doch nicht Fieber!“
    Er zerquetschte die Kräuter und ließ den Saft derselben in die Wunde fließen; dann legte er die ersteren auf und befestigte den Verband wieder.
    „Somi wird nehm' all' Tag' Kraut und leg' auf Wund' von Deutschland“, meinte er, als er fertig war.
    Ich konnte in seinen nicht unschönen Zügen eine deutliche Zuneigung lesen, die er für mich zu empfinden schien. Doch plötzlich nahm sein Gesicht einen Ausdruck an, den ich beinahe mit dem Namen Erstarrung zu bezeichnen vermochte. Die schnelle Bewegung seiner Hände nach oben drückte die größte Überraschung aus, die man sich nur denken kann.
    „Tscharga!“ rief er dann und stürzte nach der Tür, unter welcher Mietje erschienen war, um nach ihren Gästen zu sehen. „Tscharga!“ rief er wieder, als er, die Arme ausbreitend, vor ihr stand.
    Die Aufmerksamkeit sämtlicher Anwesenden lenkte sich natürlich auf diese Szene. Das Mädchen blickte ihn verwundert an, und er stand vor ihm mit sichtbarem Entzücken, als gewahre er ein kostbares Gut, dessen Besitz für ihn das höchste Glück in sich schließe. Da aber ließ er die Arme langsam sinken und klagte:
    „Oh, nein, sein nicht Tscharga! Tscharga sein alt jetzt, wenn noch leb', und nicht mehr so jung und schön. Aber warum seh' wie Tscharga, und warum hab' Kett' von Tscharga hier an Hals?“
    „Seid Ihr Somi?“ fragte sie.
    „Ja, ich Somi bin!“
    Sie ließ die Schlangenzähne in sichtbar beginnender Bewegung durch die kleinen Finger gleiten und antwortete:
    „Die Kette ist von meiner Mutter.“
    „Wer ist Mutter? Wie heiß' Mutter?“
    „Ich weiß es nicht. Der Boer van Helmers hat mich in der Kalahari bei ihr gefunden; sie war tot; die Quelle, an welcher er uns traf, war versiegt, und Mutter hatte verschmachten müssen.“
    „An Quelle? An Brunnen? Wie heiß' Brunnen?“ fragte er schnell hintereinander.
    „Es war am Ulwimibrunnen.“
    „Ulwimi, oh, oh! Wie lang' sein das her? Oh, sag' schnell, sag' rasch! Herz von Somi klopf, daß sonst spring' Herz entzwei!“
    „Es war im heißen Sommer und ist jetzt sechzehn Jahre.“
    „Wie viel Jahr'? Ishumi und tantatu Jahr', zehn und sechs Jahr? Oh, oh, Somi muß flieh' vor Sikukuni; Somi send' schön', lieb' Tscharga nach Ulwimiwasser, und als Somi komm' nach, find' Somi Grab, mach' auf Grab und seh' tot Tscharga, aber nicht Tochter. Tscharga war gut' Weib von Somi, und du sein Tochter von Tscharga und von Somi!“
    Er sprach das in der Erregung der höchsten Freude so schnell, daß man es kaum verstehen

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