301 - Libretto des Todes
kicherte erneut. »Nicht böse sein, meine kleine Wisaau, aber das klingt nicht sehr mitreißend. Da finde ich ›Die frechen Amouren der Friederike Sophie‹ besser, irgendwie witziger.«
Annder starrte wortlos an die Decke.
»Bist du jetzt beleidigt?«
»Was? Nein. Im Prinzip hast du ja recht.« Er seufzte laut und um Mitleid heischend. »Ich finde es auch nicht so besonders, selbst wenn ich’s mir immer wieder eingeredet habe. Aber ich war auch nicht besonders motiviert, denn die ganze Arbeit ist ja ohnehin vergebens.«
»Warum das?«
»Warum? Weil ich keine Chance haben werde, deshalb. Gunnter ist ein alter Freund von Wahnfried. Wen, glaubst du, wird der Festspielmeister da in den Olymp heben, zumal er das ganz alleine entscheiden wird?« Annder redete sich allmählich in Rage. »Beziehungen sind eben wichtiger als Klasse, das war schon immer so. Gunnter wird gewinnen, da kann ich kommen, mit was ich will. Dabei ist der Kerl nur ein durchschnittlicher Operateer ohne nennenswerte Geistesblitze in seinen Machwerken. Zugegeben, mit seinem ›Wahnfrieds Sieg‹ hat er einen gewissen Erfolg, aber bei näherer Betrachtung ist das Stück uninspiriert. Die Leute wollen einfach nur mehr über das Lotterleben des echten Wahnfried erfahren.«
»Ich finde es äußerst witzig. Und ziemlich treffend.«
Annder starrte sie an. »Sag ich ja, das gemeine Volk lässt sich blenden. Aber die wahren Fachleute sind da anderer Meinung. Kunstkenner wie zum Beispiel Oliveer von der Greeflichen Opera haben den Wahnfried nicht ins Programm genommen, weil sie die geringe künstlerische Qualität klar erkennen. Und wenn du jetzt damit kommst, dass Oliveer ihn am letzten Aufführungstag doch noch gespielt hat, muss ich dir erwidern: Ich bin völlig sicher, das Gunnter Oliveer in irgendeiner Weise bestochen hat.« Der Operateer schüttelte den Kopf. »Nein, das Ding ist gelaufen.« Er spielte mit dem Zeigefinger an seiner Unterlippe herum. »Ich sehe wirklich nur noch eine Möglichkeit: Du könntest ein gutes Wort für mich bei deinem Mann einlegen.«
Noora sah ihn amüsiert an. »Ah. Vergnügst du dich etwa nur deswegen mit mir?«
»Nein, natürlich nicht. Aber Wahnfried vergöttert dich ja geradezu. Ahnt er eigentlich von unserem... äh, amourösen Abenteuer?«
Die junge Frau lächelte nun breit und küsste ihn. »Er weiß sogar davon, was denkst du denn? Aber es ist ihm egal. – Schau doch nicht so entgeistert. Nein, es würde nichts bringen, wenn ich dich bei ihm protegiere, glaub mir. Er hasst es, bedrängt zu werden.« Sie machte eine kleine Pause. »Du müsstest das ganz anders angehen.«
»So? Und wie?«
»Was wäre, wenn Gunnter ganz plötzlich ein tödlicher Unfall zustieße? Dann wäre der Weg für dich frei, oder?«
»Ein Mord?«, keuchte Annder erschrocken. »Nein, das kommt gar nicht in Frage, niemals. Ich bin doch kein Mörder. Und bei aller Rivalität arbeite ich doch immer mit fairen Mitteln.«
»Ja, das tust du. Denk aber dran, dass Wahnfried und Gunnter das nicht tun. Sie haben sich gegen dich verschworen. Du wärst edel, hilfreich und gut, hättest aber verloren. Erfolg braucht andere Qualitäten.«
Annder kaute an seiner Unterlippe. »Ja, du hast recht. Trotzdem kann ich es nicht tun. Lieber verliere ich und versuche es nächstes Jahr wieder. Meine Zeit wird schon noch kommen.«
»Findest du nicht, dass das eine reichlich naive Einstellung ist?«
Nooras Worte nagten weiter in Annder, selbst als diese längst gegangen war.
***
Matt verbrachte eine ruhige Nacht in tiefem Schlaf. Roosa weckte ihn schon früh am Morgen, weil der Medikus, ein älteres, grauhaariges Männchen, das sich als Ellmahr vorstellte, eingetroffen war. Matt musste ihm eine genaue Beschreibung von Xijs Symptomen geben und bemerkte dabei die Ratlosigkeit des Mannes.
Dann untersuchte der Medikus die schlafende junge Frau, die dabei nicht einmal aufwachte. Immerhin war ihr Fieber etwas zurückgegangen. Ellmahr riet zu weiterer Bettruhe und zu einer Spritzenkur mit seiner eigenen Flussblütenmischung, einer heilenden Kräutermixtur, die er nach einem uralten Geheimrezept zusammenstellte. Er behauptete, dadurch würde das Fieber im Laufe des Tages noch weiter zurückgehen.
Matt willigte ein. Er wollte zumindest einen Tag abwarten, wie sich die Behandlung entwickelte, und derweil weitere Erkundigungen anstellen. Doch auch Ellmahr wusste auf seine Frage hin nichts von einem berühmten Heilerkollegen in Swaanstein zu erzählen.
Kurze Zeit
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