301 - Libretto des Todes
erwähnt, ohne aber ins Detail zu gehen.«
»Haagen war ein Mann überbordender Kreativität, der größte aller Festspielmeister, das muss man neidlos anerkennen. Er hat fünfunddreißig Jahre als solcher gewirkt und in dieser Zeit viel Neues eingeführt. Seine genialste Idee war sicher der Mystische Abgrund. Nun, dieser Mann bleibt unerreichbar.«
Matt nickte verstehend, dann brachte er das Gespräch auf ein Thema, das ihn weitaus mehr interessierte. Doch auch Wahnfried und Noora wussten nichts über einen Heiler, der in Swaanstein residierte. Der Festspielmeister versprach aber, Erkundigungen einzuholen.
»Wir könnten Maddrax doch für die Zeit, die er in Barreut weilt, ein Horsay zur Verfügung stellen«, schlug Noora vor, als Matt sich verabschiedete. »Dann wäre er mobiler – und er muss ja auch zu Gunnters Anwesen zurückkommen.«
»Eine gute Idee!«, stimmte Wahnfried zu. »Kümmere dich darum, meine Göttin.« Er wandte sich an Matthew. »Wie wäre es heute Abend mit einer Privatführung durchs Festspielhaus auf dem Hellgrünen Hügel? Du könntest einen einmaligen Blick hinter die Kulissen werfen, wie er nicht jedem Normalsterblichen vergönnt ist!«
»Nun, äh, danke für das Angebot... aber ich weiß noch nicht, ob ich es einrichten kann«, versuchte Matt den Kelch zu umgehen. Opernhäuser waren nun wirklich nicht seine Welt. »Es kommt darauf an, wie es Xij – meiner Begleiterin – bis dahin geht, ob ich bei ihr bleiben muss.«
»Wenn es geht, komm einfach vorbei«, sagte Wahnfried leichthin. »Ich bin heute Abend sowieso im Festspielhaus.«
Noora begleitete Matt zu den Stallungen, die an das Wohnhaus angeschlossen waren. In den Boxen schnaubten ein gutes Dutzend Horsays und scharrten mit den Hufen. Als die beiden durch den Halbdämmer der langen Boxengasse gingen, berührte die junge Frau Matt an der Hand. Es durchzuckte ihn wie ein elektrischer Schlag und er zog seine Hand sofort zurück. Dann sprach er von Xij und wie sehr er sich Sorgen um sie mache. Doch trotz des deutlichen Signals gab Noora nicht auf. Vor einer Box, in der ein besonders prächtiger schwarzer Hengst stand, blieb sie stehen und musterte das Tier.
»Schau ihn dir an, Maddrax. Bläkk ist so stark, unser bester Deckhengst im Stall. Ich schaue ihm gerne zu, wenn er die Stuten bespringt«, flüsterte sie und fixierte Matt aus glühenden Augen.
»Ich bräuchte ein Horsay, das leicht zu handhaben ist«, erwiderte er, ohne auf ihre Worte einzugehen. »Ich bin kein übermäßig guter Reiter.«
Sie lächelte leichthin und drehte sich weg. »Natürlich.«
»Danke.«
***
Matt ritt durch die Innenstadt von Barreut. Auch hier bot sich ihm das typische Stadtbild dieser Zeit. Praktisch alle Bauten waren mit Steinen und Bauteilen aus den verlassenen Randbezirken ausgebessert worden; die Häuserzeilen sahen zum Teil wie bunte Flickenteppiche aus. Das galt auch für die großen Prachtbauten, die die vergangenen fünfhundert Jahre noch am besten überstanden hatten. Trotz heißem Wetter herrschte reges Leben auf den Straßen. Überall saßen die Leute in »Maaisl-Gärten« unter schattigen Bäumen und tranken Biir aus großen Krügen. Viele aßen Saurlunge und andere Köstlichkeiten dazu.
Vor einem vierstöckigen Sandsteingebäude mit breitem Balkon und hohen Säulen hielt Matt sein Horsay an. Ein kindlich gemaltes Plakat erregte seine Aufmerksamkeit. Es kündigte die Aufführung der »besten Opera der laufenden Saison« für den heutigen Tag an, »sowohl mittags als auch abends«. Gemeint war »Wahnfrieds Sieg und Siegfrieds Wahn«. Die Sonnenuhr neben dem Eingang zeigte, dass die Mittagsvorstellung in etwa einer Viertelstunde anfing.
Matt beschloss spontan, sich die Oper anzutun, um mehr über Wahnfried zu erfahren. So gab er sein Horsay in einem der Greeflichen Opera angeschlossenen Stall ab und stellte sich in die nicht sehr lange Reihe derer, die Eintritt begehrten.
In dem riesigen Zuschauersaal, der höchstens zu einem Drittel gefüllt war, suchte er sich einen Platz in der Mitte der hintersten Reihe. Der Direktor, ein Mann namens Oliveer, der einen überaus nervösen Eindruck machte, kündigte die Opera als »wunderbares Werk über einen außergewöhnlich interessanten Menschen« an.
Matt wurde Zeuge, wie sich drei Truveers und sieben Truveera, zum Teil in Doppel- und Dreifachrollen, in einem Singspiel abmühten, das eine wilde Mischung aus Oper, Operette und Musical war. Die Hauptperson, ein dramatisch erschlankter
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