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301 - Libretto des Todes

301 - Libretto des Todes

Titel: 301 - Libretto des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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solltest du keine Witze machen«, zischte er. »Wie hast du es herausgefunden?«
    »Ganz einfach. Ich habe in seinem Schreibtisch gestöbert und bin auf einen Brief deiner Mutter gestoßen, in dem sie um Unterhalt für ihren Sohn Annder bittet, da er doch der Vater sei.«
    Annder ballte seine Hände zu Fäusten. »Er hat sie nie finanziell unterstützt. Und sie war zu stolz, es mir zu sagen. Vielleicht befürchtete sie auch, ich würde etwas unternehmen. – Hast du den Brief dabei?«
    Noora gab ihm das Schreiben. Wie hypnotisiert starrte er darauf. »Ja«, flüsterte er, »das ist die Handschrift meiner Mutter. Sie hat schon früh schreiben gelernt, weil sie aus einer vornehmen Familie kam. Aber wir waren immer arm, hatten manchmal kaum das Nötigste zum Leben. Dabei hätte Wahnfried das leicht ändern können.«
    »Leicht?« Noora lachte leise. »Es wäre für ihn ein Fass ohne Boden gewesen. Weißt du, wie viele seiner unehelichen Kinder Barreut bevölkern?«
    »Das mag sein. Aber zumindest bei mir wusste er es genau.« Annder knüllte den Brief vor lauter Wut zusammen. »Mutter hat mir immer erzählt, mein Vater sei früh gestorben. Sie hat ihn auch noch gedeckt!«
    »Weil Wahnfried und seine Familie schon immer viel Macht besessen haben«, gab Noora zu bedenken. »Ich bin sicher: Er würde auch dich töten, wenn er wüsste, dass du es erfahren hast!«
    Annders Gesicht verzerrte sich. »Deswegen also legt er mir Steine in den Weg, wo immer er kann. Wie hältst du es mit so einem Piig nur aus?«
    »Mach dir um mich keine Sorgen. Komm jetzt, die Vorführung fängt bald an.« Sie öffnete vorsichtig die Tür und spähte in den Gang hinaus. Dann winkte sie ihm. Sekunden später waren sie beide im Inneren des Festspielhauses verschwunden.
    ***
    Die Aufführung des ›Fliegenden Neederlanders‹ begann mit einem musikalischen Paukenschlag. Matt zuckte unwillkürlich zusammen und seine Hand fuhr dorthin, wo er für gewöhnlich das Holster mit dem Driller trug. Aber er und Xij hatten ihre Waffen in Gunnters Haus gelassen; schließlich besuchten sie eine Oper und kein Schlachtfeld. Er entspannte sich wieder.
    Matthew Drax hatte Opern und Operetten noch nie etwas abgewinnen können. Je länger der ›Fliegende Neederlander‹ dauerte, desto unruhiger rutschte er auf seinem Stuhl hin und her.
    Xij und Wahnfried waren da ganz anders drauf. Angeregt diskutierten sie das Gehörte und Gesehene. Dabei stieß Matts Begleiterin immer wieder kleine Schreie des Entzückens aus, wenn anscheinend etwas ganz Außergewöhnliches passierte.
    Immerhin hielt Matt fast bis zum Schluss aus. Was ihn faszinierte, war der reibungslose Wechsel verschiedener Bühnenbilder und die Tatsache, dass die Schiffstakelage ein Stück in den Zuschauerraum hineinreichte und sich immer wieder Geisterpiraten direkt neben ihnen in den Zuschauerraum abseilten, um mit ihren falschen Säbeln vor Wahnfried herumzufuchteln.
    Irgendwann drängte es Matt, die Toilette aufzusuchen. Danach wollte er nicht mehr auf seinen Platz zurück. Es machte für Xij und Wahnfried ohnehin keinen Unterschied, ob er da saß oder nicht.
    Ich schau mir das Ganze mal aus anderer Perspektive an, dachte er. Backstage sozusagen... Matt grinste in sich hinein. Mal sehen, wie die das mit den Bühnenbildern machen.
    Er betrat den Raum seitlich der Bühne, ohne dass ihr jemand aufhielt oder kontrollierte. Ein Vorhang trennte den Raum von der Bühne ab. Als Matt dahinter hervorlugte, hatte er das gesamte Geschehen mitsamt dem Zuschauerraum vor sich.
    Direkt vor ihm erhob sich das aus groben Balken zusammen gezimmerte Schiff, respektive dessen Vordersteven, denn aus mehr bestand die Requisite nicht. Dafür besaß sie eine Länge von imposanten sieben Metern. Die Schiffsreling lag ungefähr drei Meter über der Bühne, die beiden Masten erhoben sich, voll aufgetakelt, in eine lichte Höhe von rund zehn Metern. Soeben strömten alle Akteure neben dem Schiff zusammen, wahrscheinlich für die große Schlussszene.
    Matt runzelte die Stirn. Alle Akteure? Was war das dann für ein Schatten, der geduckt und in die entgegengesetzte Richtung über das Schiffsdeck huschte?
    Sein Instinkt schlug Alarm. Da stimmt was nicht...
    Matt lief zum Schiff. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, erklomm er die Kastentreppe, die den Truveers den Zugang zum Schiff erst ermöglichte. Während er auf das Deck sprang, sah er die dunkle Gestalt über die zweite Kastentreppe flüchten und im Bühnenhintergrund

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