Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
301 - Libretto des Todes

301 - Libretto des Todes

Titel: 301 - Libretto des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
Vom Netzwerk:
Bücklinge vor Matt und ließ ihn und Xij widerspruchslos aufs Festspiel-Gelände. Im Gebäude trafen sie auf Gunnter. Er war verschwitzt und sah völlig übernächtigt aus. Seine Augen lagen tief in den Höhlen, aber ein fanatisches Feuer glühte darin. Er fuchtelte gerade mit den Händen in Richtung Bühne, wo Arbeiter damit beschäftigt waren, aus Holz einen Schiffsrumpf zu errichten.
    »Das glaube ich jetzt nicht, ich glaube das einfach nicht! Habe ich es denn nur mit Hohlköpfen und Begriffsstutzigen zu tun? Ich sagte doch, das Brett mit der Meerjungfrau muss höher angenagelt werden!«, rief er mit schriller Stimme. »Sonst stimmt die Optik nicht.«
    »Guten Morgen«, sagte Xij, als sie direkt hinter ihm auftauchten.
    Gunnter fuhr herum. »Guten Morgen, meine Lieben. Ich hab jetzt keine Zeit. Später, ja?« Er drehte sich wieder zur Bühne hin. »Also husch, nochmals runter mit dem Brettchen und höher genagelt. Und dort vorne, die Vorsegel...« Er hüpfte wie ein Kastenteufel vier Schritte nach links, beugte sich nach vorne, fixierte die drei aufgespannten Dreieckssegel über der Bugsprietstange und machte dann mit beiden Armen hektische kreisförmige Bewegungen nach oben. »Kinder, Kinder, seht ihr das nicht selber, dass die beiden oberen höher müssen? Ihr richtet das, ja? Gut. Dann kann ich euch jetzt eine Weile alleine lassen? Ich muss dringend noch mit meinen Truveers üben.«
    »Der kann ja richtig rennen«, stellte Xij Hamlet fest, als sich Gunnter durch den Mittelgang des Zuschauerraums in Richtung Ausgang bewegte.
    Wahnfried und die in einem langen gelben Kleid umwerfend aussehende Noora erschienen. Sie hatte sich bei ihm untergehängt und würdigte Matt kaum eines Blickes. Der Festspielmeister kratzte sich am Kopf. »Wenn ich das richtig sehe, lässt Gunnter das Schiff aufstellen, das Haagen für das ›Rheingold‹ hat bauen lassen. Hoffentlich verschandelt er es nicht. Hm, vielleicht hätte ich doch nicht sagen sollen, dass er sich ungehemmt an den Requisiten bedienen darf.« Er lachte dröhnend. »Was bitte soll der ›Fliegende Neederlander‹ mit einem Schiff zu tun haben? Aber ich lasse mich gerne überraschen.«
    »Es wird alles seinen Sinn haben, glaub mir«, erwiderte Xij. »Wie war denn Annders Opera?«
    Wahnfried winkte ab. »Frag nicht! Oder doch, frag mich ruhig. Mit-tel-mä-ßig ist das Wort. Die Partitur war annehmbar, aber die Handlung habe ich nicht verstanden. Große Käselaiber wurden über die Bühne gerollt, und der Held sprang an Seilen meterhoch zwischen ihnen umher. Und das war noch die beste Szene!«
    ***
    Erst bei Einbruch der Nacht kamen Matt und Xij, die den Tag über im Bett hatte ruhen müssen, ins Opernhaus zurück. Xij Hamlet riss sich zusammen, aber ihre Schwäche war unübersehbar. Gunnter hatte sich in einen schwarzen Anzug gezwängt, eine schwarze Krawatte umgebunden und einen Zylinder aufgesetzt. Er kam den beiden entgegen. Vor lauter Nervosität nahm er zweimal den Zylinder ab und setzte ihn wieder auf. Im Orchestergraben hinter ihm stimmten die Musiker ihre Instrumente, auf der Bühne gingen Truveers, zum Teil noch mit ihren Libretti in der Hand, hin und her, um sich richtig zu positionieren. Sie streckten dramatisch die Arme aus und bewegten dabei stumm ihre Münder. Zu Matts Überraschung trugen sie alle Uniformen des Gebirgsjägerbataillons 231 aus Bad Reichenhall.
    »Hallo, meine Lieben, willkommen, willkommen«, begrüßte sie Gunnter. »Ich freue mich, dass vor allem du, Xij, dieser hysteri-, äh, historischen Aufführung beiwohnen darfst. Ich habe mich entschlossen, das Orchestra selbst zu dirigieren. Der eine oder andere Truveer ist noch etwas unsicher. Die Zeit war doch etwas knapp, da muss ich eben von unten die Einsätze geben. Aber es wird schon klappen. Wie findet ihr übrigens meine Matrosenkostüme? Die Fraanks waren so nett, mir ihre Uniformen zu leihen.«
    Wahnfried zog in die Zuschauerhalle ein. Er trug eine Perücke mit weißen Locken, einen Hut mit weiter Krempe und knallroten Federn und ein gut sitzendes Wams in Rot und Weiß, das sicher eine Spezialanfertigung war und ein Vermögen gekostet haben musste. Gunnter ließ Matt und Xij stehen und eilte auf ihn zu.
    »Wahnfried erinnert mich ein bisschen an Charles Laughton«, flüsterte Xij Matt zu. »Kennst du den noch?«
    »Aber klar.« Matthew grinste. »War einer meiner Lieblingsschauspieler neben Bruce Willis und John Malkovich.«
    Gunnter begrüßte den Festspielmeister, aber der wehrte

Weitere Kostenlose Bücher