301 - Libretto des Todes
Requisitenetage. Von hier aus führte Wahnfried sie problemlos ins Freie, während es über ihnen bedrohlich krachte und rumpelte.
»Als ob gleich ein Vuulkan ausbricht«, murmelte der zitternde Gunnter.
Matt glaubte plötzlich Noora zu sehen, die gerade aus einer Tür wollte und zurückzuckte, als sie die Fliehenden bemerkte. Er konnte es aber nicht mit letzter Sicherheit sagen, da sie eine schwarze Kapuze trug. Als er die Tür öffnete, fraß sich das Licht in einen dunklen, muffigen Raum, der mit Requisiten überladen war. Matt hatte keine Zeit, jetzt eine Suchaktion zu starten. Wenn es Noora gewesen war, warum versteckte sie sich dann im Dunkeln? Hatte sie ein schlechtes Gewissen?
Schließlich gelangten sie alle ins Freie. Hustend und keuchend lagen sie auf dem Boden. Xij schaute so starr, als habe sie sich gerade eine Kugel eingefangen, drückte ihre Hände fest auf den Bauch, presste die Luft mit einem lauten Geräusch aus den Lungen und brach dann zusammen.
Matt ließ sich neben ihr nieder und tätschelte ihre Wange. »Mensch, Xij, mach jetzt bloß keinen Mist. Komm wieder zu dir, hörst du?«
Währenddessen lag Wahnfried auf den Knien und reckte seine weit ausgestreckten Arme gegen das lichterloh brennende Festspielhaus. »Meine Heimat, mein Ein und Alles – ein Raub der Flammen«, schluchzte er bitterlich. »Das ist sie, meine Götterdämmerung.« Dann verzerrte sich sein Gesicht vor Hass. »Wer immer das getan hat, ich finde ihn! Und dann wird er Wahnfried kennen lernen.«
Floraaner [9] und Sannis rückten an. Die Verwundeten wurden auf Pferdewagen verladen und abtransportiert. Matt hielt Ausschau nach Noora. War sie in den Flammen umgekommen? Oder hatte sie vielleicht sogar etwas damit zu tun?
***
Die Verwundeten kamen ins Haus der Kranken und Siechen am Luutpoltplatz. Das Krankenhaus war ein lang gestreckter Glasbau mit einer Hochhausruine dahinter. Über dem Eingang sah Matt in einem Drittelkreis die Reste von Buchstaben. Er glaubte sie zu dem Wort »Rathaus« vervollständigen zu können.
Weißblau gekleidete Krankenschwestern begleiteten die Verwundeten ins Innere, die schwerer Verletzten wurden auf Liegen transportiert. Ein Medikus quartierte sie nach einer nicht allzu sensiblen Grobbeschau zunächst in einem geräumigen Krankensaal ein, in dem die Betten in Dreierreihen standen. Überall lagen verletzte Menschen mit blutigen Verbänden. Ihr Husten, Schreien und Wimmern erfüllte den Raum. Es stank nach Rauch und Erbrochenem. Matt wäre am liebsten sofort wieder verschwunden, aber er wollte bei Xij bleiben.
Wahnfried und Gunnter waren in einem anderen Zimmer einquartiert worden. Kurze Zeit später kam eine ältere Schwester mit zwei Sannis und holte sie ab. Xij Hamlet, die immer noch bewusstlos war und in Fieberträumen um sich schlug, wurde in den Trakt der Privilegierten gebracht und ins Zimmer neben Wahnfried und Gunnter gelegt.
Matt besuchte die beiden Männer. Drei Mediziner mit sieben Schwestern standen an ihren Betten und untersuchten sie. »Ihr habt beide Glück gehabt«, stellte der Chefmedikus gerade fest. »Kleinere Blessuren, ein paar Platzwunden und ein Armbruch bei Euch, Wahnfried. Nichts, was wir nicht wieder hinkriegen würden. Den Arm operieren wir noch heute Abend. Den Rest kurieren wir mit Maaisl. Hildegaad, geh und bring die Medizin her.«
»Einen halben Krug?«
»Eher einen ganzen.«
Matt bat die Ärzte, sich auch um Xij zu kümmern, was sie erst auf Wahnfrieds Aufforderung hin taten. Der Fleischberg lag im Bett und atmete schwer, als Schwester Hildegaad mit dem verlangten Krug Maaisl zurückkam.
Wahnfried richtete sich mit Matts und Hildegaads Hilfe mühsam auf, verzog das Gesicht und ließ sich von der Schwester den Krug ansetzen. Dann trank er in langen Zügen. Danach war Gunnter dran.
»Die beste Medizin von allen«, seufzte Wahnfried. »Es gibt nichts, was Maaisl nicht heilt, außer Brüchen vielleicht.« Für einen Moment lag ein glückseliger Ausdruck auf seinem Gesicht. Doch schon im nächsten Moment begann der Festspielmeister bitterlich zu weinen. »Aber was nutzt mir das Maaisl bei diesem Verlust?«, schluchzte er, während sein Körper durchgeschüttelt wurde. »Ich will gar nicht mehr leben. Der Untergang des wunderbaren Festspielhauses wird nun für alle Zeiten mit meinem Namen verbunden sein.«
»Das glaube ich jetzt nicht, ich glaube das einfach nicht«, sagte Gunnter, der sich schon die ganze Zeit den Kopf hielt. »Du willst dich ins Jenseits
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