304 - Allein gegen alle
von Neuschwanstein mit ihrer Diagnose vollkommen recht gehabt hatten: Die grünen Splitter des Daa’murenkristalls aus Tschernobyl hatten sich in Xijs Lungen festgesetzt. Ihr Nervengewebe zerfiel rapide; der jungen Frau blieben nur noch wenige Wochen. Hätte man auf dem Schloss nicht wenigstens die gröberen Partikel abgesaugt, wäre Xij vermutlich längst tot gewesen.
Matt nahm Vannas Bericht teilnahmslos zur Kenntnis. Es war ja nicht so, dass er noch große Hoffnung gehabt hatte. Blieben also nur noch die Hydriten...
»Wie geht es ihr?« Matt sprach wieder über die Außensprechanlage mit Vanna.
»Sie hat die Endoskopie gut überstanden«, berichtete die junge Frau. Betroffenheit schwang in ihrer Stimme mit; sie merkte wohl, wie angespannt die Lage für ihn war. »Es war sehr anstrengend für sie. Sie schläft jetzt.« Sie strich sich eine Lockensträhne hinters Ohr. »Aber es gibt auch eine gute Nachricht«, sagte sie dann.
Matt sah auf und durch die Frontscheibe. »So?«
»Wir haben eure Atemluft und Xijs Körper auf Oberflächenkeime abgesucht und nichts Bedenkliches gefunden. Das heißt, ihr seid sauber und dürft euch ohne Schutzanzug in der Höhle bewegen. Natürlich erst nach einer vorsorglichen Dekontamination. Wir haben eine entsprechende antiseptische Dusche an der Heckschleuse eingerichtet.« Sie grinste kurz. »Also raus aus deinen Klamotten! Ich hoffe, du bist nicht wasserscheu.«
Matthew fühlte sich zurecht beobachtet, als er sich nackt in der von halb durchsichtigen Plastikwänden umgebenen Vorrichtung wusch. Einige Bunkerbewohner sahen ihm interessiert dabei zu, und er meinte den Schalk in Vannas Augen zu sehen, als er sich mit der antiseptischen Seifenpaste abrubbelte.
Frische Sachen lagen für ihn bereit, während seine alte Kleidung gründlich gereinigt wurde. Nach der Prozedur sah Matt zuerst nach Xij. Sie schlief friedlich auf einer Liege im Inneren des Quarantäne-Bungalows. Es schien ihr gut zu gehen, denn sie lag ruhig und sprach nicht im Schlaf, wie sie es sonst oft tat. Stattdessen schnarchte sie leise.
»Komm!« Vanna nahm Matthew bei der Hand und führte ihn hinaus in die große Haupthalle der Höhle.
Das Klima war wie erwartet schwülwarm, wie nach einem kurzen leichten Sommerregen. Beständig platschte es, Wasser tropfte von der Decke und hatte über die Jahrtausende gewaltige Kalkablagerungen geschaffen. Die turmartigen Stalaktiten, die von der Decke herabhingen, waren überwuchert mit Moosen und Farnen. Einige der Pflanzen leuchteten aus sich heraus. Auch die Leuchtpilze sah Matt nun erstmals in natura. Fasziniert ging er auf eine der Schwammkolonien zu, die sich im Astwerk eines niedrigen Busches angesiedelt hatte.
»Das sind Lumofungis«, erklärte Vanna. Die Meeresbiologin trat zu ihm und legte ihm in einer vertrauten Geste eine Hand auf die Schulter. Matt registrierte es mit gesteigertem Unwohlsein. So langsam nahmen die Annäherungsversuche der Frau überhand. Sie kannte ihn doch kaum! Machte ihn schon die Tatsache, dass er hier unten fremd und ein Exot war, so attraktiv? Er tat einen unauffälligen Schritt zur Seite, sodass sie den Körperkontakt mit ihm nicht aufrechterhalten konnte. Es schien sie nicht zu stören.
»Wir haben diese natürlichen Lichtquellen über Jahre gezüchtet«, erklärte Vanna. »Die Schwämme gehen eine Symbiose mit einer Leuchtalgenart ein. Sie leben von ihren gegenseitigen Stoffwechselprodukten. So werden die Pflanzen im Inneren des Pilzes dazu angeregt, ständig Licht zu produzieren.«
Matt tastete über eines der Gebilde. An den Stellen, an denen er das nachgiebige Gewebe berührte, bildeten sich kleine runde Schatten, die aber bald darauf wieder verschwanden. Er hob den Blick und deutete auf die bewachsene Decke. »Ist das alles natürlich entstanden? Oder habt ihr dabei irgendwie nachgeholfen?«
Vanna legte fragend den Kopf schief. »Du meinst, mit genetischer Manipulation? So weit ich weiß, wurde das nur in der Anfangszeit so gehandhabt. Irgendwann ließ man der Natur freien Lauf. Und sie hat ihren Weg gefunden. Die Grotta Gigante ist ein in sich geschlossenes Ökosystem, das hervorragend funktioniert. Wie genau, daran forschen wir seit Jahrzehnten. – Komm, ich zeige dir, wie wir uns eingerichtet haben.« Die Meeresbiologin deutete auf einen unbewachsenen Pfad zwischen den Bungalows. »Hier entlang.«
Ihr Weg führte sie durch einen Wald aus Stalagmiten, die wie Termitenbauten aus dem Boden ragten. Matt erkannte, dass man sie
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