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304 - Allein gegen alle

304 - Allein gegen alle

Titel: 304 - Allein gegen alle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Vennemann
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ausgefahren, das Rückenmark punktiert und mit einem Geflecht aus feinsten Glasfasern ein Zugang mit den dortigen Nervensträngen geschaffen. An dieser Schnittstelle dockte der Anzug quasi an das Nervensystem des Trägers an. Den Rest übernahm das Zusammenspiel aus Anzugelektronik und weitergeleiteten Nervenimpulsen, inklusive der dazugehörigen Feedbacks. Spannte der Träger beide Arme an, so aktivierten sich an dieser Stelle die entsprechenden Kraftverstärker.
    Wie gesagt, so sollte es in der Theorie funktionieren. Ob es das auch in der Praxis tat...?
    Grundsätzlich zweifelte Carlo nicht daran, aber ihm war klar, dass es unzählige Versuche und Testreihen dauern würde, um die Konfigurationen des Anzugs zu optimieren. Das galt dann für jeden einzelnen Träger aufs Neue, was die ganze Sache noch weiter verkomplizierte und noch zeitintensiver machen würde. Er hoffte nur, dass ihnen noch so viel Zeit blieb.
    Er legte einen Arm um Giovanna und merkte, wie sie leicht zitterte. Erschöpfung? Sie waren seit vierzehn Stunden auf den Beinen. Auch er fühlte sich ausgelaugt und schwach. Vielleicht doch ein Stimuli-Pack auf die Schnelle, obwohl er das bittere Pulver, das man sich auf der Zunge zergehen lassen musste, hasste wie nichts anderes. Es wirkte, das schon, aber gerne griff er nie darauf zurück.
    »Mich überläuft es kalt, wenn ich mir das Ding länger als zehn Sekunden ansehe«, flüsterte Giovanna. »Drei Jahre arbeiten wir daran. An einer Waffe .« Sie fasste seine Hände und blickte ihm tief in die Augen. »Wir sollten andere Dinge tun. Das Biotop weiter erforschen. Die Algen resistenter machen. Nicht unsere Ressourcen darauf verschwenden, etwas zu erschaffen, das Leben nicht erhält, sondern vernichten soll.«
    Carlo wusste, was sie meinte. Es ging ihm ja ähnlich. Aber er sah auch die Notwendigkeit, sich zur Wehr zu setzen. Wenn er ehrlich war, dann stand das sogar ganz oben auf der Liste der Dinge, die sie tun mussten, damit das Refugium überhaupt eine Chance hatte.
    »Die Seemonster greifen uns immer wieder an, Giovanna«, sagte er und versuchte so viel Verständnis in seine Stimme zu legen, wie ihm nur möglich war. »Zwei der fünf Algenfarmen haben sie schon irreparabel beschädigt. Mehr als ein Drittel unserer ohnehin knappen Nahrungsmittelproduktion funktioniert nicht mehr. Es reicht auch nur noch, weil...«
    »… auch wir Verluste zu beklagen haben, ich weiß.« Diese Bitterkeit in Giovannas Blick, sie war nicht neu und schon gar nicht auf sie allein beschränkt. Sie alle hatten geliebte Menschen an die grausamen Meereswesen verloren, Freunde, die auf den Algenfarmen in den Unterwassergewächshäusern gearbeitet hatten und von den Blauen zerfleischt worden waren. An Ort und Stelle gefressen, oder verschleppt, ohne Hoffnung auf Wiederkehr. Mit diesen Grausamkeiten hatten sie zu leben gelernt. Das machte es nicht besser.
    »Du hast ja recht.« Sie seufzte, hob die Arme an und ließ die flachen Handflächen seitwärts gegen ihre Schenkel fallen. »Ihr alle habt recht. Carnetto, die Ratsvorsitzende... Erst müssen diese Monster verschwinden, dann können wir an etwas anderes denken.«
    Carlo tat es im Herzen weh, sie immer wieder so niedergeschlagen zu erleben. Sie hatten harte Zeiten mitgemacht. Manchmal kam es ihm heute wie Hohn vor, dass er sich noch vor drei Jahren nur dafür interessiert hatte, wie er sich selbst das nächste Festmahl ermöglichen konnte.
    Es geht immer noch schlimmer! Also beklag dich nicht und nimm es hin. Tu, was du kannst. Nicht mehr und nicht weniger.
    Das hatte er getan und sich selbst beigebracht, was er wissen musste, um diesen Prototypen herzustellen.
    Carlo Puzo umfasste die Hüfte seiner Freundin und zog sie zu sich heran. Sie ließ es geschehen und küsste ihn auf die Nasenwurzel. »Ich merke schon, es ist genug für heute. Lass uns Schluss machen und nach oben gehen. Es gibt noch andere Arten von Stimuli, auf die wir zurückgreifen...«
    Mit einem Rumpeln wurde die Schleusentür des Forschungsbungalows entriegelt und mit Schwung nach innen aufgestoßen.
    Carlo und Giovanna wirbelten herum.
    In der runden Öffnung stand ein muskulöser Mann, an die ein Meter neunzig groß. Sein nackter Oberkörper glänzte in dem fahlen künstlichen Laborlicht. Er war nur mit enganliegenden Shorts bekleidet.
    Es brauchte einen Moment, bis Carlo erkannte, was ihm an dem Anblick befremdlich vorkam. Er kannte den Mann gut; es war Gustavo, der Kräftigste und Sportlichste im Bunker,

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