305 - Nach Millionen von Jahren
endlich so weit? War das der Augenblick, von dem sie seit Langem träumte?
»Tu das.« Gilam’esh wandte sich von ihr ab. »Ich werde mich ein Stück entfernen und ebenfalls säubern.« Seine Hand deutete das Seeufer entlang.
Sie hörte ihn gehen. Nur wenig später folgte sie ihm. Den ausgewaschenen Fischlederanzug ließ sie am Ufer zurück. Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
Überrascht sah er ihr entgegen. Er trat ins flache Wasser. Sein Blick wirkte verlegen. »Du... du hast da was vergessen.«
»Wie lange willst du mich noch ignorieren?« Manil’bud betrachtete Gilam’esh mit der gesamten Ruhe Rotgrunds. Innerlich frohlockte sie. Er kam nicht mehr an ihr vorbei. Nicht an diesem Licht. Nicht in diesem See.
Gilam’eshs Scheitelkamm verfärbte sich merklich heller. Er starrte auf ihren nackten Körper. »Mit dem Waschen scheinst du ja fertig zu sein.«
»Warum sagst du nicht, was du wirklich denkst? Was du haben willst?« Sie kam näher und genoss seine Unsicherheit. Seit mehreren Umläufen diente sie ihm als Schülerin und kämpfte an seiner Seite. Der Krieg tobte noch immer zwischen Patrydree und Ikairydree und wollte kein Ende finden. Sie aber befand sich nur zwei Schritte von ihrem Ziel entfernt. Endlich würde sie bekommen, wonach sie sich sehnte. Ihr Blick traf seinen, und sie erkannte darin das erhoffte Verlangen.
Trotzdem zögerte Gilam’esh. »Du bist meine Schülerin, Manil’bud. Du weißt, dass es sich nicht gehört, wenn ich mich dir nähere.«
»Es ist aber auch nicht verboten.« Sie ging leicht ins Hohlkreuz und lenkte seine Aufmerksamkeit auf ihre Brüste mit den sattgrünen Schuppen. Schon oft hatte sie ihn dabei ertappt, wie er sie angestarrt hatte, wenn er sich unbeobachtet glaubte.
Ihre Hand berührte Gilam’eshs Gesicht. »Ich weiß, dass du es willst. Gib deinen Widerstand endlich auf. Außerdem habe ich mich eben sehr gut angestellt. Kaum einem Schüler gelingt es, die Muy’laals bereits nach wenigen Phasen zu rufen. Ich verdiene eine Belohnung.«
Seine Kiemen zuckten. Sie spürte, wie durcheinander er war.
»Ich... ich kann das nicht.«
»Was kannst du nicht?«
»Ich kann keine Beziehung mit dir eingehen, Manil’bud. Versteh das bitte. Es ist zu gefährlich.«
Ihre Muskeln spannten sich kampfbereit an. »Was soll das heißen, es ist zu gefährlich ? Bin ich als deine Schülerin im Kampf nicht ohnehin an vorderster Front?«
»Damit hat es nichts zu tun. Es ist nicht zu gefährlich für dich, sondern für mich. Leider kann ich dir das nicht näher erklären. In mir ist etwas...« Er verstummte. »Es ist besser, wenn du dir einen anderen Partner suchst.« Langsam wandte er sich von ihr ab. Sie sah, dass es ihn Mühe kostete. Entschlossen packte sie sein Handgelenk und den herausstehenden Dorn.
»Ich will keinen anderen Partner, Gilam’esh. Ich will dich . Schon seit Umläufen will ich dich. Glaub mir, ich nehme es mit jeder Gefahr auf, und ich kann jedes deiner Geheimnisse bewahren, ganz gleich, was es ist.«
Er zog heftig die Luft ein. »Du würdest mich für verrückt halten und mich zu den Unheilbaren in den Verliesen der Ozeanstadt bringen lassen.«
Sie fasste auch seinen anderen Arm. »Niemals.«
»Deine Worte bedeuten nichts«, klackte er leise.
»Dann fordere Taten. Stell mich auf die Probe. Ich werde keinen Rückzieher machen und nicht eher ruhen, bis du dich mir stellst.«
Er schwieg einen Moment. Sein Atem beruhigte sich. »Was würdest du sagen, wenn ich dir erzählte... dass ich nicht allein in mir selbst bin? Dass zu jedem Zeitpunkt etwas anderes, Fremdes in mir ist? Ein Geist aus einer anderen Zeit, die weit jenseits unserer Welt liegt?«
»Das spielt keine Rolle.« Sie trat noch dichter an ihn heran. Ihre Körper berührten sich. »Ich liebe, wen ich liebe.«
Er stand ganz still. Sein Kopf neigte sich dem ihrem entgegen. Die violetten Spitzen seines Scheitelkamms berührte ihre und löste wohlige Gefühle der Vertrautheit in ihr aus.
»Sei still«, flüsterte er klackend.
Sie hatte nichts gesagt und verstand nicht, was – oder besser: wen – er meinte. Vielleicht war er tatsächlich verrückt und hörte eine Stimme in seinem Kopf. Aber wie sie es gesagt hatte: Es war ihr gleich. Gilam’esh gehörte zu den Großen ihres Volkes. Er besaß unglaublich viel Mut, Tatkraft, Talent und Verstand. Egal, welche Dämonen in ihm wohnten, sie wollte nicht mehr ohne ihn sein.
Mit leichtem Druck zog sie an seinen Armen, und er folgte ihr in Richtung des Sees.
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