31 - Und Friede auf Erden
hatte ich erwartet!“ lachte John vergnügt und laut. „Genau das und nichts anderes! China hat gehandelt, wie es als Ehrenmann gar nicht anders handeln konnte!“
Der Governor stand eine ganze Zeitlang starr wie eine Bildsäule. So etwas war ihm noch niemals widerfahren! In seinem Gesicht kamen und gingen die Ausdrücke der verschiedensten Gefühle. Da endlich rief er aus:
„Fürchterlich! Entsetzlich! John, soll ich diesen Halunken nur erschießen oder gar ohrfeigen? Oder soll ich diesen ausgezeichneten, goldigen Menschen bloß umarmen oder auch noch küssen? Soll ich ihm in das Gesicht spucken, oder soll ich ihn um Verzeihung bitten? Wer ist der Lump und wer der Gentleman? Ich fühle einen Teufel in mir, doch aber auch einen Engel! Ungeheure Blamage, ganz ungeheure! Vielleicht sind es auch zwei Engel und bloß ein halber Teufel! Oder noch richtiger drei Engel und nur ich selbst! Muß es mir überlegen! Wartet inzwischen! Ich gehe; aber ich komme bald wieder!“
Er verschwand in seinem Zimmer.
„Alter, lieber, lieber, guter Uncle!“ sagte Raffley. „Jetzt kämpft er gegen sich selbst. Ich weiß, daß die drei Engel siegen werden. O, er hat nicht bloß drei, sondern viele, viele! – Aber unser Freund hier wird gar nicht wissen, um was es sich handelt. Wir sind verpflichtet, es ihm zu erzählen.“
Er tat es. Der Priester hörte ihm aufmerksam und, wie es schien, im stillen verwundert zu. Eben als dieser Bericht zu Ende war, ging die Tür zum Nebenzimmer auf, und der Governor trat wieder herein, ernst, fast feierlich, als ob es sich um eine wichtige Staatsaktion handle.
„Charly“, sagte er zu mir. „Ich halte Euch für meinen Freund und werde es Euch nie vergessen, wenn Ihr jetzt das Opfer bringt, mir eine Bitte zu erfüllen. Ich muß mit Tsi sprechen, sofort, und zwar hier. Geht zu ihm und macht den Versuch, ihn hierherzubringen! Vielleicht gelingt es Euch.“
Ich war natürlich sehr gern bereit. Er nahm die Angelegenheit genauso, wie er sie nehmen zu müssen glaubte. Man durfte ihre Bedeutung nicht verkleinern. Tsi befand sich in seiner Stube. Er lächelte mich befriedigt an und weigerte sich nicht im geringsten mitzugehen. Als ich ihn brachte, verneigte sich der Governor sehr tief vor ihm und sprach:
„Sir, ich habe Euch hiermit vor diesen Zeugen zu erklären, daß ich ein Faselhans gewesen bin, ein Faselhans, wie er im Buche steht, aber keineswegs etwas Schlimmeres! Was Euch selbst betrifft, so seid Ihr ein Gentleman, wie – wie – nun, auch wie er im Buche steht. Das kann ich wohl beschwören! Und in Beziehung auf Eure Nation oder Rasse sehe ich von Tag zu Tag mehr ein, daß ich sie falsch, grundfalsch beurteilt habe. Es wird mir gar nicht etwa leicht, dies zu bekennen; aber ich weiß, daß es mir leichter werden wird, wenn ich die Ehre habe, noch länger mit Euch zu verkehren und Euch meinen Freund nennen zu dürfen. Darum verhehle ich nicht, daß mir sehr viel an Eurer Verzeihung gelegen ist, und bitte Euch, mir als Zeichen derselben Eure Hand zu reichen. Hoffentlich seid Ihr nicht abgeneigt, Euch mit mir auszusöhnen.“
„Uncle, Uncle, die Engel, die Engel!“ rief John Raffley aus.
Der Chinese aber ging auf den Alten zu, ergriff seine beiden Hände, küßte erst die eine und dann die andere und sagte:
„Mylord, ich bin der Jüngere von uns beiden. Darum beleidige ich meine Ahnen nicht, wenn ich Euch dieses Zeichen meiner herzlichen und aufrichtigen Ehrerbietung gebe. Daß ich Euch persönlich für einen Gentleman halte, brauche ich nicht nochmals zu versichern. Und was unsere beiderseitigen Nationen und Rassen betrifft, so schlage ich vor: Sehen wir ruhig zu, was sie miteinander tun! Und hüten wir uns, von Superiorität und von Inferiorität zu reden, bevor die Weltgeschichte ihr endgültiges, letztes Wort gesprochen hat! Dann werden wir uns beide nicht nur achten dürfen, sondern es wird sich auch Eurerseits noch das hinzugesellen, was ich meine, wenn ich jetzt sage: Ich habe Euch lieb, Mylord, ja, wirklich lieb!“
Da zog der Uncle den jungen Mann an seine Brust, küßte ihn auf die Stirn und fragte:
„Also ausgesöhnt, vollständig ausgesöhnt?“
„Völlig und ganz! Ohne jeden Rückgedanken!“
„Ich danke Euch! Aber das Geld, das Geld! Nehmt Ihr es wirklich nicht!“
„Nein. Ich kann nicht!“
„Ja, ich begreife! Aber ich darf es doch nicht zurücknehmen! Wie ist das nun zu machen? Ah, da kommt mir ein Gedanke! Ich weiß, wohin damit!“
Sein Gesicht strahlte
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