31 - Und Friede auf Erden
herrlicher Bund hat tausend und aber tausend Wege, zu tun, was er beschließt. Er hat seine Brüder und Schwestern, seine Söhne und Töchter überall, sogar in den Schulen der Knaben und der Mädchen, die in schöner, stolzer, jugendlicher Begeisterung sich zur ‚Shen‘ bekennen und alles vermeiden, was ihre Ausschließung herbeiziehen würde.“
„Sogar die Jugend, die Schüler?“ rief der Governor aus. „Ein köstlicher Gedanke! Warum gibt es nicht auch bei uns so etwas wie diese ‚Shen‘? Sobald ich heimkomme, soll es mein erstes sein, mich an dieses menschenfreundliche, segensreiche Werk zu machen! Nur Humanität, Bruderliebe und Friede! Alles andere aber, was zum Streit führt, soll ausgeschlossen sein! Ich meine, was die Heiden können, das können wir Christen auch! Gerecht und billig sein! Kommt, Ihr Lieben! Gegessen wird nicht mehr, wie es scheint. Aber hier steht eine volle Flasche. Sie ist vom besten Tropfen, den unsere Jacht in ihrem Keller hat. Den trinken wir auf Shen!“
Er füllte die Gläser, hob das seine empor und fuhr fort:
„Also auf ‚Shen‘! Sie lasse sich von uns heim nach dem Abendland führen! Sie werde dort nicht Gast, nein, sondern Bürgerin! Sie kehre ein in jeder Stadt, auf jedem Dorf, selbst in dem kleinsten Haus! Sie werde auch bei uns zum großen Bund, der überall, wo eine Menschheitswunde blutet, sie liebevoll verbindet und dann heilt! Hip, hip, hurra!“
Er leerte sein Glas auf einen Zug und warf es dann über Bord in die See. Man tut das, um damit zu sagen, dieser Toast sei so wichtig und so heilig, daß das Glas zu keinem andern Zweck mehr von irgendeiner Lippe berührt werden dürfe.
„Hip, hip, hurra!“ riefen auch John und ich, tranken aus und schleuderten unsere Gläser ebenso weit über die Reling hinaus in die Flut.
„Hip, hip, hurra!“ sagte ebenso der Priester. Er trank in kurzen, bedächtigen Zügen, behielt aber das geleerte Glas dann in der Hand, betrachtete es, indem er es rundum drehte, und sprach: „Nein, nicht verschwinden sollst du mir; dich darf die Woge des Meeres und der Vergessenheit mir nicht entreißen! Ich nehme dich mit. Du sollst mir teuer sein, denn du gehörst der ‚Shen‘, die aus dir trank, obgleich mit meinen Lippen! Und kommt zu uns ein Mensch, den sie uns schickt, daß wir an ihm die Herzen im Erbarmen üben mögen, so sei du ihm gereicht zum ersten, heiligen Trunk, gleich einem Schwur, daß wir ihm Brüder seien!“
Da nahm Raffley eine der köstlich in Gold gestickten indischen Servietten vom Tisch, reichte sie ihm hin und bat:
„Schütze es durch diese weiche Hülle! Du hast auch hier das Bessere, das Richtige getroffen. Wir werfen weg; du aber, du bewahrst! Ich danke dir, und zwar im Namen derjenigen, an deren Stelle du jetzt mit uns trankst!“
Da hob der Malaie überrascht den Kopf empor und sah ihn forschend an. John hielt diesen Blick lächelnd aus. Nun lächelte der andere auch, und wie von einer einzigen Bewegung getrieben, reichten beide einander die Hände. Dem Governor fiel das, wie es schien, gar nicht auf; mir aber kam sofort die heimliche Frage: Warum nannte er ihn bei diesen Worten ‚du‘? Ist Freund Raffley vielleicht schon Mitglied dieses brüderlichen Bundes? – – –
So hatte das Frühstück, dessen Beginn ein beinahe verlegener gewesen war, ein allerseits befriedigendes Ende genommen. Besonders angeregt zeigte sich der liebe, alte, stets impulsive Uncle, der sich so gern und schnell für jede Idee enthusiasmierte, bei welcher auf sein gutes Herz zu rechnen war. Er nahm den Priester sofort wieder für sich allein, saß bei der Rückkehr nach der Landungsbrücke neben ihm im Boot und schob ihn dann so demonstrierend vor sich in den Wagen, als ob einer von uns beiden andern die Absicht geäußert hätte, mit dem Malaien fahren zu wollen. So saß ich also auch während der Heimfahrt mit John beisammen.
„Eine seltsam schnell geschlossene Freundschaft!“ sagte dieser, indem er auf die zwei Voranfahrenden deutete. „Der Uncle ist jetzt wirklich ein ganz anderer als vorher. Kommt diese Sinnesänderung Ihnen nicht als eine zu rasche vor?“
„Nein“, antwortete ich. „Er lebte bisher ganz ausschließlich hinter der Mauer seiner National-, Standes- und sonstigen Vorurteile. Da er aber eigentlich nicht für sie geschaffen ist, hat er sich in diesem Gefängnis niemals wirklich wohl gefühlt und mußte gleich bei der ersten Bresche heraus in die Freiheit treten.“
„Diese Bresche wurde von
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