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31 - Und Friede auf Erden

31 - Und Friede auf Erden

Titel: 31 - Und Friede auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sollte, so bin ich doch überzeugt, wenigstens über die Gattung homunculus das Richtige gesagt zu haben!“
    „Unser Vorurteil!“ sagte der Governor nachdenklich. „Ja; ich beginne zu begreifen! Ich gab jawohl schon zu, in diesen letzten Tagen mehr gelernt zu haben als während der ganzen vorherigen Zeit. Dieses Vorurteil wird nicht mit uns geboren, sondern später in uns hineingetragen und mit uns groß und immer größer gezogen, bis es uns so vollständig ausfüllt, daß in uns nicht das geringste Plätzchen mehr übrigbleibt, an ihm zu zweifeln. Der Vater sagt uns, daß wir ‚Weiße‘ seien, und die Mutter macht uns stolz auf diese Farbe. Dann kommen die Lehrer, einer nach dem andern, und überzeugen uns, gesprochen, geschrieben und gedruckt, daß wir die höchste und begabteste, die beste Menschenrasse seien. Wenn wir dann lesen können, so finden wir diese Offenbarung in jedem Buch, in jeder Zeitung. Und wo es nicht besonders erwähnt wird, hat man es doch als unbestreitbares Kriterium vorausgesetzt. Und fließt hernach das persönliche mit dem allgemeinen Leben zusammen, so treten Handel und Wandel, Kunst und Wissenschaft, besonders aber Geschichte, Politik und Geographie an uns heran, um uns täglich und stündlich wieder und wieder zu versichern, daß nur wir allein die Träger der wahren Gesittung und der von Gott gewollten Erlösung aller Menschen seien. Und wie eifrig sind wir bemüht, die des anderen, minderwertigen Menschheit mitzuteilen! Und wie unbedingt verlangen wir, daß sie es glaube und befolge! Nieder mit euch, ihr gelben, ihr braunen, ihr roten, ihr schwarzen Gesichter! Denn wir sind weiß, und Weiß ist die Lieblingsfarbe des Schöpfers! Wir sind euch über in allem, was es gibt! Ihr seid nichts gegen uns, gar nichts. Wir aber sind alles, und wir haben alles, sogar Tausendpfundnoten! Diese Noten brauchen wir nicht etwa zum Leben; nein, o nein; dazu sind wir zu reich, viel zu reich! Sondern wir machen mit ihnen prahlerische Wetten, um euch zu zeigen, wie wenig wir von euch halten. Und wenn wir ja einmal eine solche Wette verlieren und der Chinese zu vornehm ist, das Geld zu nehmen, so werfen wir es dem Malaien hin, der uns die Hände und Füße küssen wird für diese Gottesgabe!“
    Er nahm die Note vom Tisch, ballte sie zusammen, warf sie wieder hin, nahm sie abermals weg, warf sie noch einmal hin und fuhr, zu dem Priester gewandt, fort:
    „Ich könnte und möchte dieses Papier vernichten, denn es hat mich blamiert, mich und die ganze, weiße Rasse; aber das wäre noch kleiner gehandelt als bisher. Ihr habt mir eine Lehre erteilt, eine große, eine schmerzliche, aber heilsame Lehre, die ich nicht vergessen werde. Darum hebe ich die Note auf. Sie soll mich daran erinnern, daß ich niedrig gehandelt habe und dafür von Euch beiden in hoher Weise zurechtgewiesen worden bin!“
    Er nahm sie nun endgültig weg, schob sie zusammengeballt in die Tasche und fügte hinzu:
    „Ihr habt einen Sieg über mich errungen, der größer und nachhaltiger ist, als Ihr wahrscheinlich denkt. So wie ich mich überwunden habe, dieses Geld zurückzunehmen, so nehme ich auch das Vorurteil zurück, welches sich für berechtigt glaubte, Euch mit dem Mammon zu beleidigen. Ich fühlte es nur zu wohl; Ihr hattet recht. Nicht der Missionar war der Schuldige, sondern das Vorurteil, welches der Westen in ihm großgezogen hat. Es kam mir nicht so rasch wie den andern, zu begreifen, was Ihr meintet; aber nun ich Euch verstanden habe, wird es um so fester sitzen. Leider haben nun nur wir den Nutzen, Ihr aber den Euch zugefügten Schaden. Sagt, fällt auf Waller nicht wenigstens ein kleiner Teil der Schuld?“
    „Nein. Ich habe ihn geprüft“, antwortete der Malaie. „Sie kamen grad zur Zeit, als der malaische Herrscher von den Christen verfolgt und gejagt wurde, um ihn gefangenzunehmen. Diese Jagd ist noch jetzt im Gange. Wir nahmen die beiden Christen trotzdem freundlich auf. Aber wir standen vor unserm großen Fest, welches mir so viel Arbeit machte, daß ich für anderes keine Zeit übrig hatte. Darum verschwieg ich ihnen meine Kenntnis ihrer Sprache, weil sie mich sonst fortwährend als Dolmetscher in Anspruch genommen hätten. Auch nach dem Brand blieb ich bei diesem Schweigen, welches mir erlaubte, in die Seele der Tochter ganz unbemerkt zu schauen. Ich war sogar dazu still, daß die Träger ihr sagten, ihr Vater sei zum Tode verurteilt, denn ich gönnte es ihr, sich später sagen zu können, daß sie ihn von

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